ÖsterreichWTF?!

Sarah Grundner/Kathrin Quatember

Folge 3: Mit Daniela Brodesser über Armut, Fotografie und Downhill

Warum Armut uns alle angeht

15.01.2025 64 min

Zusammenfassung & Show Notes

Wir sind Kathrin und Sarah und unterhalten uns mit Menschen, die ihr aus völlig anderen Zusammenhängen kennt über außergewöhnliche Dinge, die ihr bisher nicht wusstet.

Diesmal unterhalten wir uns mit Dani Brodesser über die Themen Mountainbiken, Skifahren, Fotografie, was Hobbies mit Teilhabe von Armutsbetroffenen zu tun haben, was jede*r von uns gemeinsam mit Armutsbetroffenen zur Teilhabe beitragen und wie wir als Gesellschaft das Tabu und Stigma der Armut brechen können.

Zu Dani:
Gelernte Bürokauffrau, inzwischen aber Kolumnistin, Autorin und Armutsaktivistin.
Webseite: https://ar-mut.com
Buch: https://www.kremayr-scheriau.at/bucher-e-books/titel/armut/

Der Link zum in der Folge erwähnten Artikel:
https://www.derstandard.at/story/3000000244851/installateur-ich-lege-jeden-monat-500-euro-zur-seite

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Transkript

Sarah: Hallo, wir sind Quati: Kathrin, die meisten kennen mich unter dem Spitznamen Quati Sarah: und Sarah mit Österreich What the Fuck?! Wir stellen unseren Gästen die Fragen, die ihnen sonst keiner stellt und erfahren viele Dinge, von denen wir keine Ahnung hatten, dass wir sie über unsere Gäste wissen wollen. Sarah: Wir haben natürlich einen Fahrplan für unseren Podcast. Wir steigen ein mit der Frage nach der nicht offensichtlichen Expertise, den geheimen Leidenschaften und Hobbys der österreichischen und deutschen Prominenz an gescheiten und interessanten Menschen, für die sie eher nicht so bekannt sind. Quati: Ja, und heute freuen wir uns ganz besonders über unseren Gast, den sicher sehr viele von euch schon kennen, und zwar die Dani Brodesser. Es ist wirklich eine große Freude, dich heute bei uns zu haben. Dani, du bist ja eigentlich gelernte Bürokauffrau, inzwischen aber Kolumnistin, Autorin und Armutsaktivistin. Und was vielleicht manche nicht wissen, ist, dass du abseits dieser tausend Dinge, die du jonglierst und über die du aufklärst, einige Hobbys gehabt hast, vor allem bergab dazwischen, bergauf in alle Richtungen, aber auf jeden Fall mit viel Geschwindigkeit. Wir haben vorher im Vorgespräch erfahren, dass du nicht nur begeisterte Mountainbikerin/Downhill-Fahrerin warst, sondern dich auch auf diversen Pisten herumgetrieben hast. Magst du uns da ein bisschen was erzählen dazu? Daniela: Ja, zuerst mal, hi. Hallo, ihr zwei, erst mal danke, danke, danke, dass ihr bei euch sein darf. Also ich freue mich so irrsinnig. Quati: Hallo! Daniela: Auf die Stunde jetzt, das ist einfach traumhaft. Sarah: Hey, ich freue mich auch. Und es ist einmal so ganz anders. Also ich darf einmal über meine Hobbys reden und Leidenschaften, was man vielleicht abgeht inzwischen. Und das ist so anders als immer nur über ein Thema reden, obwohl mein Thema eh mein Hobby auch inzwischen ist. Aber ja, freue mich irrsinnig drauf. Quati: Genau, also Downhill. Stichwort Downhill. Genau. Auf Bretteln oder auf zwei Rädern. Warum, wieso und überhaupt? Daniela: Wieso und überhaupt? Es hat eigentlich angefangen, also da muss ich jetzt sogar nur ein bisschen weiter zurück. Ich habe ab der Volksschule, war ich eigentlich Leistungsturnerin, Boden- und Geräte-Turnerin. War im Leistungskader bei uns in Linz dabei. Hab teilweise fünf Tage in der Woche trainiert. Wettkämpfe waren am Wochenende auch. Und hat mir irrsinnig viel Spaß gemacht. Und irgendwann erreicht man so das Alter, so mit 13, 14, 15 in dem Bereich, wo sich dann die Weichen stellen. Gehst du mehr auf Wettkämpfe oder lasst es bleiben. Und ich habe eigentlich gemerkt, neben der Schule, das ist mir zu viel. Das wollte ich nicht mehr so. Also es wären dann wirklich fast sieben Tage in der Woche gewesen. Und das war mir dann doch zu stark. Aber ohne Sport habe ich es irgendwie auch nicht ausgehalten und habe mir dann irgendwann ein Mountainbike zugelegt. Und das erst so gemütlich angefangen, ein bisschen außerhalb der normalen Wege zu fahren. Und bin dann in so eine richtige Clique reingekommen. Ich meine, wer Oberösterreich nicht kennt oder Linz nicht kennt, kennt die Strecken nicht. Aber meine Lieblingsstrecken war zum Beispiel vom Lichtenberg runter. Also entweder den Wanderweg oder über die Straße. Und das ja weit mit über 60 km/h. Heute rückblickend denke ich mir, bist du deppert. Sarah: Das wollte ich auch gerade sagen. Bist du deppert. Daniela: Ja. Quati: Das ist das Privileg der Jugend. Furchtlosigkeit. Sarah: Aber voll. Mein Gott. Ich glaube, ich würde mich so fürchten. Daniela: Wir waren damals wirklich so schräg drauf, dass ein Schulkollege von mir in der HAK und ich, der hat eben am Lichtenberg oben gewohnt, in Linz. Wir sind nach der Schule mit den Bikes zu ihm aufgefahren, haben zu Mittag gegessen, haben dann Downhillrennen runter gemacht, zu mir haben dort Hausübungen gemacht und er ist dann einfach wieder zu ihm raufgefahren. Und Quati, ich glaube, du kennst Lichtenberg. Also das ist jetzt nicht ohne mit dem Radl. Aber so schräg waren wir damals drauf. Quati: Ja, ich bin gerade ein bisschen sprachlos und denke mir, das Alter ist schon ein Hund. Also wenn man sich anschaut, was man so in Kindheit und Jugendzeiten, wofür man Energie gehabt hat. Das ist echt, ich bin gerade total geflasht. Also also für die, die die Gegend nicht kennen, schaut euch das so mal vielleicht auf Google Earth oder Google Maps an, dann wisst ihr ungefähr, von was wir da gerade reden. Daniela: Wann ich heutzutage mit dem Auto da rauf fahre, denke ich mir, bitte, wie habe ich das jemals geschafft? Ich käme wahrscheinlich heute nicht mehr mit einem E-Radl rauf. Weil mir auf der halben Stricken die Zunge raushängt. Sarah: Also ich versuche mir das gerade vorzustellen. Da wirst du gewesen sein, so 14, 15, 16 herum wahrscheinlich oder älter? Daniela: Genau. So ab 15, 16 war das dann so die heftige Zeit, wo ich das exklusiv betrieben habe. Sarah: Also in dem Alter, no way. Ich meine, jetzt sowieso nicht. Aber das hätte ich mich auch damals nicht traut. Ich war so ein Schisser, unglaublich. Daniela: Ich habe damals auch, also meine Eltern haben sich ja einiges mitgemacht mit mir, weil die haben halt dann wieder so Anrufe aus dem Spital gekriegt: so Ihre Tochter liegt bei uns. Das Fahrradl ist leider nicht mehr zu retten gewesen. Ich habe dann oft Fotos gesehen. Da hat sich wirklich mein Bike irgendwann mal um einen Baum um mich gewickelt gehabt. Und ich meine, ich lache heute drüber. Ja, weil jetzt habe ich selber vier Kinder. Ja, und wenn ich denke, ich kriege einmal einen Anruf von der Polizei: Wir haben das Fahrradl vom Baum runtergekratzt. Ich würde umgekippen. Quati: Das ist dann immer, wenn sie dich in der Notaufnahme bei einem Vornamen kennen. Daniela: Ja, das war damals das UKH in Linz. Also die haben mich wirklich beim Vornamen gekannt. Sarah: Wie oft haben sie dich abgeholt mit der Rettung? Drei, vier Mal im Jahr sicher. Sarah: Bist du deppert. Ja. Der heftigste Sturz war das. Da habe ich dann im Knie, habe ich lauter so, das war so ein Wald- und Wanderstrecken. Und da ist ein depperter Ast über den Weg gewesen. Und den habe ich übersehen. Und dann hat es mich halt wirklich richtig drüber gewuzelt. Und ich habe im Flug und danach, wie ich auf der Erde gelandet bin, mit dem Knie einfach wirklich alles, was dort im Wald gelegen ist, aufgenommen. Also mein Knie hat wirklich gesagt, so, ich nehme jetzt jeden Dreck da mit. Quati: Hier ein Baum, hier ein bisschen Schotter, hier ein paar Tannennadeln, ein paar Zweigerl. Daniela: Genau. Und im Spital, im UKH haben sie mir dann einfach nur so, das weiß ich bis heute noch, das war so ein Gummi-, Plastik-, weiß ich nicht, so ein Keil. Den haben sie mir in die Hand gegeben, haben gesagt" beißen Sie rein". Und bevor ich noch sagen habe können, warum, hat er mir das im Mund gesteckt. Ich habe reingebissen und dann haben die da die Sachen, wirklich die Tannennadeln und so zum rauszupfen angefangen. Das war der Zeitpunkt, wo ich gewusst habe, okay, ich sollte vielleicht ein bisschen vorsichtiger werden. Quati: Na und dann sind wir einfach umgestiegen auf Buckelpisten fahren, weil Schnee so viel besser ist. Sarah: Naja, aber du hast ja dann, wenn du den Skianzug an hast, dann ist es mit den Tannennadeln nicht so leicht. Durch den Skianzug. Daniela: Wobei ich sagen muss, Skifahren habe ich, und das werden wahrscheinlich auch die wenigsten glauben, die mich kennen, ich bin schon mit, ich glaube, zwei Jahren, mit zwei Jahren das erste Mal auf den Ski gestanden. Das war noch diese Plastik-Ski für kleine Kinder, wo du mit den normalen Schuhen gestanden bist. Mein Opa war ja Skilehrer. Und damals Pöstlinberg, allein schon, raufgegangen, runtergefahren. Und er hat mich dann wirklich relativ bald, schon Wurzeralm, Hinterstoder mitgenommen. Und wir waren jede Woche im Winter Skifahren. Und es war einfach herrlich. Also auch wieder Speed, Geschwindigkeit. Was kostet die Welt? Verletzungen gibt es keine. Hab mich aber, muss ich wirklich sagen, beim Skifahren eigentlich nicht schwer verletzt. Wundert mich bis heute. Wirklich. Sarah: Das heißt, du bist vom Skifahren eigentlich aufs Mountainbiken umgestiegen, weil es dir nicht gefährlich genug war. Habe ich das jetzt richtig verstanden? Quati: Ach, so rum. Daniela: Naja, Mountainbiken war halt im Sommer und Skifahren war im Winter. Quati: Wobei, das ist ja so eine uroberösterreichische Eigenart, dass wir irgendwie die Kinder so: gehen lernen und das erste Mal auf Ski stehen, ist meistens relativ gleichzeitig. Das ist so ein Ding, also Skifahren ist irgendwie eine der Hauptkulturtechniken. Und ich glaube, dass sich das mittlerweile ziemlich ändert, weil einfach aufgrund der natürlich der immer, immer weiter zurückgehenden Gletscher und des Schneemangels und natürlich der Kosten, die damit verbunden sind. Aber das ist auch wirklich so, also wenn man in den 80ern und 90ern in Oberösterreich groß geworden ist, war es so Gehschule gleichzeitig mit der Skischule. Sarah: Das ist so arg zum Hören, weil für mich hat es das wirklich überhaupt nicht gegeben. Also wir haben auch auf der Schule keinen Skikurs gehabt. Also bei uns haben wir gemacht Klassenfahrten mit Wandertagen und so. Und dann komme ich nach Österreich und meine Kinder haben auf einmal Skikurs. Und ich so, warum haben die Skikurs? Wieso müssen die Skifahren lernen? Das braucht doch kein Mensch mehr. Wir haben eh keinen Schnee. Aber nein, in Österreich ist das anscheinend total wichtig mit dem Skifahren. Also wo ich herkomme in Süddeutschland, sollte man meinen, könnte auch noch so sein, aber gar nicht. Also das ist wirklich was Ur-Österreichisches mit dem Skifahren. Daniela: Ich meine, also wie du Quati gerade erwähnt hast, es wird immer weniger. Meine Kinder haben es zum Beispiel nie gelernt. Aber da kommen wir später sicher noch dazu. Aber ja, Skifahren ist wirklich, ich glaube, Oberösterreich, 80er Jahre. Es hat, glaube ich, in meinem Jahrgang niemanden gegeben, der nicht Skifahren können hat. Es war aber damals auch noch leistbarer und man hat es auch wirklich, ja, man hat die Ski, man ist mit der Pöstlingbergbahn raufgefahren in Linz und ist über die Mayerwiesen runtergefahren mit den Skiern. Also da war es halt auch wirklich kostenlos. Quati: Ja, und dann eben Hochficht und so, also gerade im Mühlviertel, da hat man ja nicht weit gehabt. Und das ist irgendwie so in der Region, da hat's noch diese Einheimischentarife gegeben und was weiß ich, was alles. Da war es irgendwie so für ein bisschen Geld, Ausrüstung hat man eh irgendwie daheim gehabt, zumindest irgendwie Ski und irgendwelche Schuhe und irgendwas. Und ja. Daniela: Ich habe meine ersten paar neuen Ski gekriegt, da war ich, glaube ich, aber schon zehn. Vorher habe ich immer die von meinem Onkel gekriegt, die der halt nicht mehr gebraucht hat. Quati: Aber du bist nicht nur durch die Landschaft gefräst auf Bretteln und diversen Rädern, sondern ein weiteres Hobby von dir ist auch die Fotografie. Also war die Fotografie, ist die Fotografie. Was magst du uns erzählen drüber? Weil ich glaube, das ist ja ein ganz, ganz zentraler Punkt für dich. Daniela: Ja, vor allem ein ganz schwieriges Thema für mich, weil ich noch immer dran kiefel (=nage). Zur Fotografie bin ich wirklich gekommen, nachdem meine Älteste der auf die Welt gekommen ist, weil dann war ich auf einmal Mama mit 21 und ja, so gefährliche Sportarten, Mountainbiken oder so, das war dann eigentlich nicht mehr drinnen, weil wo auch die Zeit hernehmen? Ich habe gearbeitet, habe die Kleine gehabt und ich bin dann wirklich so weggekommen von diesen gefährlichen Sachen. Skifahren mit Baby, wenn du niemanden zum Aufpassen hast, das auch nicht drinnen und ich habe dann wirklich relativ bald, meine allererste Kamera, war so eine Hobbykamera von Olympus. Die habe ich damals relativ günstig irgendwo hergekriegt. Ich weiß eigentlich, ich weiß wirklich nicht mehr, warum ich mir die eigentlich gekauft habe. Ich habe mir gedacht, ich will es einfach mal probieren oder so. Und mir haben zum Beispiel schon immer schwarz-weiß Fotografieen fasziniert. Und ich habe mir gedacht, jetzt probiere ich das einfach einmal. Und damals halt noch irrsinnig aufwendig, dass du die Bilder irgendwie auf den PC kriegst. Ich meine, das war halt ja '97, '98 in der Zeit. Aber ich weiß noch, ich habe damals wirklich, also gleich von Anfang an ziemlich viel Makrofotografie gemacht. Also jetzt ohne großartiges Makroobjektiv oder so, sondern einfach wirklich aus dem Gefühl heraus. Und das Schönste war dann immer, die Bilder am PC zu betrachten und noch ein bisschen dran herumbasteln damit sie so werden, wie ich sie wirklich haben will. Und das hat mich so, das hat mich vom Tag abgeholt. Das hat mich wirklich vom Tag abgeholt, weil es war damals keine einfache Zeit für mich. Also ich habe mich halt von ihrem Erzeuger getrennt, der ziemlich gewaltvoll war. Sie hat als Baby schon, zwar einen gutartigen, aber trotzdem einen Tumor gehabt und eine heftige Operation. Ich meine, der war gutartig, hat sich aber bei ihr um die Wirbelsäule rumgewickelt gehabt. Und das Fotografieren war für mich wirklich, da habe ich den Alltag ein bisschen ausblenden können. Also weniger das Fotografieren, aber dann das Foto betrachten, bearbeiten und die Ergebnisse dann sehen. Und das habe ich über die Jahre eigentlich immer beibehalten. Ich glaube, ihr merkt, dass ich inzwischen nervös werde, weil ich fange dann immer so zu irgendwas in den Hände zum Herumfummeln an. Weil mit der Fotografie eigentlich für mich verdammt viel Erinnerungen zusammenhängen, die halt eben nicht schön sind. Es ist paradox, ich liebe die Fotografie, ich habe es aber vor allem dafür gemacht, dass ich eben schwierige Situationen halbwegs gut durchstehe. Sarah: Also es erinnert dich einfach dran, wofür es der Ausgleich war. Daniela: Genau. Sarah: Wie lange hast du das gemacht? Wie lange bist du beim Fotografieren geblieben und beim Fotos bearbeiten und anschauen? Daniela: Ja, eigentlich bis, Moment, das war 2018. Da habe ich dann, ich habe dann im Laufe der Zeit halt andere Kameras gehabt. Eben bis die Jüngste auf Welt gekommen ist, war es ja auch leistbar, dass ich mir halt da wieder mal ein gescheites Objektiv kaufe oder halt eine bessere Kamera. und 2018 war dann der Zeitpunkt, also da war der Tag, wo ich wirklich die Stromrechnung übersehen gehabt habe. Also die habe ich wirklich komplett übersehen. Also da habe ich die Mahnung übersehen und das habe ich auch im Buch zum Beispiel beschrieben. Ich meine, heutzutage sag ich: ja knapp über 200 Euro. Ja, tut mir weh, aber ich zahle jetzt einfach mal auf die Gache (=Schnelle). Und ich meine, seien wir uns ehrlich, wer von uns hat noch nicht einmal etwas übersehen? Das kann einmal wirklich passieren. Damals war aber die Situation wirklich so, dass eben die Drohung war, wenn ich das jetzt nicht sofort zahlen, wird in drei Doktor der Strom abgestellt. Und ich habe damals gewusst, ich kriege nicht einmal so schnell irgendwo einen Termin bei irgendeiner Beratungsstelle. Und ich habe aber, also wir waren damals schon in dieser Armut drinnen und ich habe keine Kontakte gehabt. Wenn mir das heute passiert, weiß ich, wen ich fragen kann, ob er mir kurz vielleicht einmal aushelfen kann oder ich weiß, wo ich mich hinwenden kann. Das habe ich damals einfach nicht gehabt, weil ich schon so zurückgezogen gelebt habe. Und an dem Tag habe ich heute meine Kamera verkauft. Und ja, jetzt fummel ich noch mehr an meinem Feuerzeug herum, weil es mich, ja, kommt immer wieder hoch, der Moment. Sarah: Ja, verständlich. Ein komplett einschneidender Moment. Wo du weißt, das ist, ein Teil ist davor, der andere Teil ist danach. Daniela: Ja. Und das war halt einfach wirklich so, dass mich das Fotografieren, ich habe die Kamera eigentlich überall mitgehabt. Ich meine, ich habe zwar nie Menschen fotografiert, das liegt mir nicht, aber halt immer Gegenstände, Natur. Sarah: Das wollte ich dich jetzt eh noch fragen, was hast du am liebsten fotografiert eigentlich? Daniela: Natur eben und ja, wirklich so Momentaufnahmen, also Street-Fotografie, das war so meins. Einfach so Kleinigkeiten festhalten, die vielleicht wer anderer gar nicht beobachtet. Und das hat mich eben einfach, also 2018 haben wir ja schon einige Jahre hinter uns gehabt, die heftig waren und Fotografie hat mir einfach trotzdem wieder genau das, die hat mir es ermöglicht, dass ich den Alltag bewältige. Also die hat bei mir dazu beitragen, dass ich Resilienz entwickelt habe und darum ist für mich das Thema Hobby einfach, also Hobby und Armut so ein extrem wichtiges Thema, weil man ganz oft in Debatten oder Diskussionen hört, die Leute sollen froh sein dass sie ein Dach über dem Kopf haben. Dabei geht es um so viel mehr. Gestehe cih Menschen nur zu, dass sie ein Dach über dem Kopf haben und gerade einmal so existieren? Wie sollen die Menschen eine Resilienz entwickeln? Du resignierst irgendwann, wenn du absolut nichts hast, woran du dich festhalten kannst. Das mag bei jedem Menschen anders sein. Sarah: Aber du erlaubst Menschen damit ja quasi nicht einmal mehr zu sein als ein Tier. Ich meine, einem Tier gestehen wir auch eine gewisse Quadratmeter Anzahl zu und ein Dach über dem Kopf, aber sehr viel mehr muss nicht sein quasi. Und ist das wirklich, was wir uns von unseren Mitmenschen, was wir sagen, das ist das Minimum? Nein. Also ich finde halt nicht, anscheinend ist das für viele Leute so. Ich weiß, dass du es auch nicht so siehst. Daniela: Ich finde es einfach traurig, weil würden wir Armutsbetroffenen wesentlich mehr zugestehen und würden wir uns dessen bewusst sein, was Resilienz fördernd ist. Und Hobbys oder Sachen, die einem gut tun, sind einfach Resilienz fördernd. Und unser Gehirn beruht auf einem Belohnungssystem. Wir brauchen einfach, dass wir uns hin und wieder mit irgendwas belohnen, ohne, dass wir dabei ein schlechtes Gefühl haben. Das ist ja das Nächste. Wenn du in Armut lebst und du gönnst dir irgendwas, hast du automatisch ein schlechtes Gefühl. Oder du rechtfertigst dich tausendmal dafür. Das ist auch wieder nicht förderlich. Und was ist aber dann der Unterschied? Resigniere ich dann und gebe komplett auf? Oder habe ich noch die innere Kraft und kann mir Perspektiven schaffen? Und darum geht mir das Thema Hobby einfach wirklich jedes Mal irrsinnig nahe. Quati: Ich wollte gerade sagen, wenn man in Belastungssituationen ist und mit sei es jetzt Facharzt, Fachärzt*in oder Therapeut*in spricht, kommt sehr oft so, naja, was haben Sie für einen Ausgleich? Was machen Sie denn so? Und gehen Sie Radl fahren oder haben Sie einen Sport oder haben Sie ein Hobby? Und dann, wenn man das in Verbindung bringt, auch mit dem, was du jetzt gesagt hast, das sind einfach so alltägliche Dinge, sei es einmal auf einen Kaffee gehen mit Freunden oder ins Kino oder eben ein Fitnessstudio oder spazieren, wo man ja auch Schuhe braucht, die nicht drucken und nicht weh tun und wo es nicht nass durchgeht und wo man eine gescheite Jacke braucht, gerade beim Winterspaziergang. Also wenn man das irgendwie so durchüberlegt und ich lade auch die Zuhörenden ein, das einmal für sich selber durchzuüberlegen, was so die eigenen Hobbys sind und was man so gern macht und was uns allen einen Ausgleich bringt und dann überlegt man, was braucht man, was brauchen wir dafür und was kostet es und dann sind wir genau bei dem Punkt: um Resilienz aufzubauen und eben einen Ausgleich überhaupt zu ermöglichen, braucht es sehr viele Voraussetzungen und da sind wir genau eben bei dem Punkt, wo es dann für Armutsbetroffene unglaublich schwierig wird. Da sind wir beim Stichpunkt Beteiligung. Sarah: Da wollte ich gleich noch was dazu sagen, weil ich bin armutsbetroffen aufgewachsen und ich habe gesehen, meine Klassenkameraden, Klassenkameradinnen haben irgendwelche coolen Sportarten zum Beispiel ausüben können, was auch immer, die waren nicht einmal irgendwas Großartiges. Im Sportverein oder meine Kinder jetzt sind bei den Pfadfindern und das war alles nicht möglich, das hat es einfach nicht gegeben, selbst wenn das noch so ein günstiges Hobby war oder gewesen wäre, auch diese Bindung, das muss jedes Mal bezahlt werden, auch wenn das jetzt nicht teuer gewesen wäre, diese Fixkosten, auch diese Überwindung von meiner Mama. Ich weiß, ich habe Ballett gemacht und die Überwindung dorthin zu gehen, das kommt nämlich dann dazu, ich habe nicht das gleiche Tütü gehabt wie die anderen und die gleiche Strumpfhose, meine war aus dem Second Hand und das ist dann so dieser Punkt, wo du dann auch einfach als Kind aufgibst und sagst, nein, ich will eigentlich nicht. Weil du das spürst, du gehörst trotzdem nicht dazu. Daniela: Voll, es ist, genau was du jetzt erwähnt hast mit den Sportvereinen und so, es ist der Unterschied, ob Kinder mehrere Sachen durchprobieren können, gedankenlos, ängstelos oder ob es, wie bei meine nKinder, ob sie sich vorher wirklich gut überlegen haben müssen, welche Sportart wollen sie jetzt probieren, weil ich habe mir es nicht leisten können, dass wir sagen, ja, die Woche probierst Fußball, wenn dir das nicht taugt, probieren wir in drei Wochen Volleyball. Weil du brauchst jedes Mal irgendein anderes Outfit, irgendwelche anderen Schuhe, die Kinder sind schon eingeschränkt und was macht das mit Kindern? Du lernst als Kind nie über die eigenen Grenzen rauszudenken. Du wirst automatisch eingeschränkt auf das, was ist überhaupt möglich, was ist machbar und du hast nicht einmal die Möglichkeit, dass du deine Fähigkeiten austestest. Und das tut mir zum Beispiel persönlich gegenüber Kindern irrsinnig weh. Sarah: Und du lernst als Kind aber auch sehr schnell nicht nur keine Wünsche mehr zu äußern in die Richtung, weil du merkst, das tut weh zu Hause, sondern auch einfach keine Wünsche mehr zu haben. Also es ist nicht nur so, dass du dann sagst, nein, es passt alles und in Wirklichkeit willst du noch was, sondern du lernst halt einfach auch als Kind, als 6, 7, 8-Jährige: nein, das ist nicht gut, wenn ich was will, weil es geht eh nicht. Daniela: Geht mir jedes mal wieder nahe. Entschuldigung. Sarah: Sorry, das tut mir leid. Daniela: Nein, nein, aber weil ich weiß, dass es einfach so viele Kinder gibt, denen es täglich so geht. Und wir Erwachsene bestimmen aber dann drüber und sagen, naja, wenn sie sich anstrengen, können sie trotzdem alles erreichen. Nein, können sie nicht, weil sie von Anfang an gar nicht die Möglichkeiten dazu haben. Sarah: Und vor allem, wir sagen ihnen ja auch, wir bringen ihnen ja im Prinzip auch schon bei, es ist wurscht, ob du dich anstrengst oder nicht. Es ist so dieses, auf der einen Seite hören es die Kids und habe ich damals gehört, ja, streng dich an, dann kannst du das und das tun, aber auf der anderen Seite hörst, merkst du halt, du spürst es ja, weil du bist ja als Kind, du bist ja empathisch, du ignorierst ja nicht völlig, was um dich herum vorgeht, du spürst es ja, dass es nicht gut ist, wenn du was willst, weil es eh nicht geht. Und weil, wenn du deinen Wunsch äußerst, deine Eltern zusammenzucken und dann heißt es, naja, schauen wir mal, wie es Weihnachten ausschaut. Wenn du im Sommer einen Wunsch äußerst. Ja, und dann ist der Papa weg und dann sagt die Mama, na du, schauen wir mal, vielleicht können die Großeltern helfen und du kriegst das mit als Fünf-, Sechs-, Siebenjährige, du bist ja nicht deppert, das ist ja, braucht mir ja keiner erzählen, dass Fünf,- Sechsjährige das nicht mitkriegen. Und klar, als erstes lernst du dann, na gut, dann sage ich halt nichts mehr. Ja, weil dann gibt es keinen Stress zu Hause und dann ist die Mama nicht mehr traurig. Aber du verlernst es auch, dass du das willst, dass du überhaupt sagst, ich wünsche mir das. Und diesen Wunsch zu verlernen, irgendwas zu wollen, also dass man sich überhaupt nichts mehr wünscht, ich glaube, da sind wir schon an einem Punkt, wenn man dann den Kindern sagt, du kannst eh alles werden, was du willst. Aber wenn die Kinder schon nichts mehr wollen, weil sie schon gelernt haben, gar keine Wünsche mehr zu haben, nicht nur sie nicht zu äußern, sondern gar keine zu haben. Daniela: Heftig. Also einfach so, ja, dermaßen heftig. Und ich kenne das leider von ganz vielen Kindern und Jugendlichen, die dann irgendwann sagen, naja, warum soll ich das und das lernen? Mir wird sowieso immer gesagt, ich kann maximal das und das verdienen oder machen. Quati: Es ist halt ein komplettes Paradoxon, also ich kämpfe ja irgendwie, je älter ich werde, desto mehr kämpfe ich auch aus der eigenen Erfahrung der letzten zwei Jahre. Kämpfe ich immer mehr mit diesem Leistungsgesellschaftsgedanken, eben dieses, man muss sich nur anstrengen und dann geht das schon, ja? Um überhaupt, und, und, es ist mir jetzt gerade irgendwie so richtig bewusst geworden... weil ich mir denke... um überhaupt zu wissen, wo, wo und in welchen Bereichen man sich anstrengen könnte, muss man erst einmal wissen, was man gern macht und was man kann. Daniela: Und dazu müssen wir es auch mal austesten. Quati: Und dazu, ja, müssen wir die Möglichkeiten haben, überhaupt einmal kennenzulernen, was mag ich denn, was gibt es denn überhaupt alles? Und da fange ich, da setze ich jetzt noch nicht einmal irgendwie beim, beim Schulsystem an, da fange ich noch nicht einmal an, sondern das ist wirklich bei den absoluten Basics, wie Hobbys eben, die, eben nicht zugänglich sind, die nicht, wo es eben genau diese Möglichkeiten nicht für jedes Kind gibt. Natürlich beeinflusst das unsere Biografien, wenn ich nicht weiß, wenn ich die Möglichkeit nicht habe, auszuprobieren, ob ich eine gute Schriftstellerin bin, dann werde ich wohl auch nie erfahren, ob ich eine gute Schriftstellerin bin, oder gute Fußballspielerin, oder guter Skifahrer, oder, was auch immer. Da kann man ja gar nicht das Selbstvertrauen entwickeln, überhaupt zu wissen, was wir können, was man kann, wie man das jemals im Leben wieder aufholen soll das kann mir einfach keiner erklären. Und da braucht man dann auch keiner kommen mit m"an braucht sich eh nur ausstrengen, und dann wird das alles schon. Wenn man sämtliche Prägungen und die ganze eigene Geschichte irgendwie so völlig außen vor lässt, so funktioniert das nicht, sag ich jetzt einmal. Aber weil wir gerade bei dem Punkt sind, es ist natürlich immer die Frage, wie können wir es anders machen? Weil dieser Rückzug von Armutsbetroffenen, ist ja auch symptomatisch, also dieses immer mehr sich zurückziehen, dieses immer weniger teilhaben können, das ist ja nicht die Eigenverantwortung, oder nicht die, nicht die Verantwortung der Betroffenen, sondern das hat ja auch mit der Gesellschaft an sich und mit den sozialen Umfeldern zu tun, in denen wir uns bewegen, Und wie können wir, wie kann jeder, jede von uns dazu beitragen, Verbindung zu Menschen, zu Armutsbetroffenen, nämlich nicht nur aufzubauen, sondern auch nicht zu verlieren? Was kann man da wirklich tun, wenn man merkt, okay, da zieht sich jemand zurück, da gibt es einfach Umbrüche im Leben, Menschen im direkten Umfeld, Freundinnen, Freunde, die stehen zum Beispiel vor einer Delosierung, oder was auch immer, oder melden die Kinder vom Sportverein ab, you name it. Ich glaube, dass da einfach sehr oft eine Hilflosigkeit auch besteht. Aber wie, finden wir den Zugang, oder beziehungsweise, wie können wir Kontakt halten, gibt es da überhaupt die Möglichkeiten dafür? Daniela: Natürlich gibt es die, und sie sind teilweise einfacher, als man vielleicht glaubt, weil man meistens eben auch so eine gewisse Scheu hat, davor, dass man, dass man Betroffene dann anspricht. Aber was ich jetzt in den letzten Jahren, also was ich von mir selber eben weiß so aus Erfahrung, und in den letzten Jahren einfach gelernt hab: der einfachste Weg, das Gespräch zu beginnen, ist, Betroffenen selber zu erklären, wie viele Menschen überhaupt betroffen sind in unserem Land. Der Moment, wenn Betroffene merken, hey, Moment, es geht nicht nur mir so, dass ich mir den Ausflug in der Schule nicht leisten kann, es geht nicht nur mir so, dass ich am Monatsende kein gesundes Weckerl mitgeben kann, sondern ein billiges Toastbrot vom Hofer. Sobald der Punkt kommt, wo die merken, hey, das sind ganz viele, ich brauche mich eigentlich gar nicht schämen dafür, wird das ganze Mindset ein anderes. Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, und da steige ich nicht runter davon, das Aufklären und Reden darüber, warum Armut strukturell ist, und warum es keine individuelle Schuld ist. Ich kann nicht, zum Beispiel junge Menschen, die in Niedrigstlohnjobs arbeiten, die immer wieder am Arbeitsamt sind, die keine Ausbildung fertig haben. Ich kann denen nicht direkt die Schuld geben. Ich weiß nicht, was in ihrer Biografie passiert ist. Und es zieht sich wirklich durch und durch, egal mit welchen jungen Menschen du redest. Die haben eine scheiß Biografie hinter sich. Die haben entweder ein schlimmes Elternhaus oder von außen eben wirklich diese Abwertung und Beschämung miterlebt. Da möchte ich jetzt noch einmal ganz kurz zurückkommen auf die Hobbys, weil ich kenne zum Beispiel schon die Argumente von ganz vielen Menschen, die dann sagen, weil du vorher das Fahrrad erwähnt hast und das Spazierengehen. Ich kenne ganz viele Menschen, die dann sagen, naja, aber es gibt ja, man kann ganz oft gratis sogar ein Fahrradl kriegen, über willhaben. Um das geht es nicht. Es geht darum, dass ich als Mensch, ich als Individuum, ein Hobby brauche, das ich mir wählen kann. Es geht um die Wahlfreiheit. Ich brauche kein Hobby, das mir die Gesellschaft aufzwingt, weil es billigst ist. Ich brauche etwas, was mir als Mensch gut tut und genau das brauchen Kinder auch. Und Kinder und Jugendliche brauchen, sie brauchen eine Gesellschaft rund um sie, die sagt: hey, egal was du erlebt hast, egal, welche sozioökonomische Herkunft du hast, wir garantieren dafür, dass du alle Wege offen hast. Wenn die Nachhilfe nicht leistbar ist und du aber trotzdem das Zeug hast, dass du eine höchere Schule machst, dann sollst du sie bitte machen. Wenn du eine Lehre machen willst, dann kannst du sie machen. Wir unterstützen dich überall. Aber momentan ist es so, dass gerade Kinder aus armutsbetroffenen Haushalten relativ schnell die Schule entweder ganz verlassen und dann in irgendwelchen Ausbildungsprogrammen landen, wo sie, und das habe ich schon mitgekriegt, und da platzt mir der Kragen: solchen Kindern werden Anträge vom AMS hingelegt, die müssen lernen wie sie die ausfüllen weil was anderes werden sie im Leben nie brauchen. Bitte, wie sollen solche Jugendliche jemals wirklich an sich selber glauben? Und da geht mir heute noch der Kragen auf, wenn ich daran denke. Aber eigentlich, ich will mal zurück zu deiner Frage. Eben. Wenn man sich mehr und mehr zurückzieht, und ich glaube, ich bin da jetzt wirklich das beste Beispiel dafür, weil, Quati, du hast es bei mir miterlebt, du hast mich in der Zeit kennengelernt, und was hast du gemacht? Du hast einfach gesagt: so Dani. Weil du gewusst hast, ich würde wahnsinnig gerne wieder auf Lesungen gehen oder Veranstaltungen gehen. Und du hast einfach gesagt, so Dani, wir gehen jetzt auf die Veranstaltung, du brauchst dir keine Gedanken machen, ob dort irgendwas zu zahlen ist. und wir machen uns jetzt einen schönen Abend. Und das war für mich einfach so wieder der erste Weg zurück. Und das ist für mich heute einfach noch so ein Riesenmoment in meinem Leben. Und genau sowas brauchen ganz viele Betroffene. Die einen brauchen, dass man sie mitzaht (= mitschleift) zu einer Veranstaltung. Die anderen brauchen einfach, dass du ihnen sagst, hey, wollt ihr am Wochenende mal einen Ausflug machen? Ich organisiere euch ein Zugticket. Reden. Reden und die Leute wirklich das Gefühl geben, ihr braucht euch nicht rechtfertigen, weil ihr was braucht oder was wollt. Es ist das Natürlichste der Welt. Ich rede schon wieder zu viel. Sarah: Nein, wir haben dich eingeladen zum Reden. Das passt schon. Quati: Es ist so der Punkt, es ist mir nämlich jetzt gerade geschossen, wenn man im Freundeskreis unterwegs ist, ist es das Selbstverständlichste, sich gegenseitig mal einzuladen. Da sagt man irgendwie, gehen wir auf einen Kaffee, ich zahle heute. So. Oder gehen wir ins Kino und bist eingeladen. Oder ich lade dich zum Essen ein. Oder sonst irgendwas. Oder wir gehen in den Prater oder wurscht. Und dann auf einmal merkt man, okay, man hat im Freundeskreis Menschen, die gerade finanziell einfach strugglen. und dann steht man da, als ob man das verlernt hat, dass man sagt, ich lade dich auf einen Kaffee ein und ich zahle dir heute das Essen. Oder man geht eben auf eine Lesung miteinander. man tut dem Gegenüber was Gutes. Also warum zum Geier soll das dann auf einmal anders sein? Eben, wenn es dem anderen finanziell nicht gut geht und man sich das selber aber leisten kann, dann ist es doch bitte, also, wieso verlernt man dann auf einmal Freundschaft zu leben und zu pflegen? Das ist total absurd eigentlich. Sarah: Das ist es gar nicht. Das ist es gar nicht. Daniela: Das wollte ich auch gerade sagen. Sarah: Ich glaube, wir wollen eh gerade das Gleiche sage. Daniela: Es ist nicht das Verlernen. Es ist erstens einmal, man tut sich schwer, dass man mit der Situation umgeht. Weil, selbst wenn wir alle miteinander irrsinnig sensibilisiert sind, es ist trotzdem noch immer diese Schublade da. Und es ist einfach auch das Denken, naja, wie fühlt sich der oder die, wenn ich's jetzt ständig einlade? Kommt das überhaupt gut an? Und es ist wirklich kein Verlernen, Quati. Aber ich glaube, das Wichtigste daran ist zum Beispiel, und auch Betroffene, sagen dann oft nein, weil sie quasi jetzt nicht immer bei wem anderen an der Tasche hängen wollen. Und da hilft auch zum Beispiel wirklich, wenn man dann sagt, also ich mache das zum Beispiel auch gerne. Und ich sage dann, hey, ich habe selber eine Scheißzeit erlebt. Wenn es dir mal besser geht, kannst du ja wen anderen einladen. Also dann ist es nicht so, ich gebe dir jetzt einfach Almosen, sondern dann ist es auch für die Betroffenen so, okay, die weiß, was das heißt, oder die hat das selber schon durch, oder die weiß, was es bedeutet. Und ich kann später ja auch mal vielleicht irgendwas zurückgeben, auch in einer anderen Art und Weise. Sarah: zum gewissen Punkt, muss man da aber dann auch einfach als Freund oder Freundin sagen, so, ich sehe deine Situation, ich weiß, dass es jetzt anders ist bei dir. Weil dieses "Geh, ich lade dich ein, das basiert total darauf, dass wir alle ungefähr eine Ahnung haben von fair, und einmal lädt der eine ein, und einmal lädt der andere ein. Und das ist halt das Problem, wo sich dann viele Armutsbetroffene einfach auch zurückziehen, weil sie sagen, ich kann diese Rückeinladung überhaupt nicht mehr machen, ich will das nicht, dass ich eingeladen werde, weil es entsteht mir dadurch eigentlich die Verpflichtung, eine Freundin zu sein, die andere einlädt. Und da muss ich, als die nicht armutsbetroffene Freundin, dann hergehen und sagen, so, du, ich sehe, dass dir scheiße geht, du bist trotzdem eingeladen, ich erwarte überhaupt nichts zurück, das ist jetzt anders, das ist jetzt so, dass ich dich einlade. Also da muss man ganz aktiv, glaube ich, hingehen und sagen, du, ich sehe, dass das jetzt anders ist, ich erwarte mir da nichts zurück, und das ist auch okay so. Quati: Das ist eine sehr wichtige Ergänzung, danke euch beiden. Natürlich, ja, also das ist auch was, das ist, da muss man sich auch die Frage stellen, inwieweit spielen, also spielt dieses, sich gegenseitig Freund, Freundin sein, da läuft man natürlich bei dem, was ich gerade vorher gesagt habe, Gefahr, das aufs Materielle zu reduzieren, das ist es natürlich nicht. Wobei andererseits, eben genau das Materielle, ja dann, wenn man armutsbetroffen ist, so wahnsinnig einfach alles dominiert, wenn man auf einmal irgendwie im Krankengeldbezug ist, und, weiß ich nicht, nach Abzug aller Fixkosten, dann auf einmal noch 200 Euro im Monat oder 150 Euro im Monat, zum Leben bleiben, und man sich denkt "Na servas". Diese existenziellen, finanziellen Fragen überschatten halt einfach, diese ganzen anderen Dinge. Man hat eben nicht die Entscheidung, dass man sagt, ich lade jetzt zurück ein, das hat man einfach nicht, oder möchte es auch nicht mehr, weil, jede Auseinandersetzung, jede zwischenmenschliche Interaktion, dann im Endeffekt, irgendwann einmal drauf reduziert wird: okay, ich kann nicht, weil ich die Kohle nicht habe dafür. Sarah: Dann würde ich dich tatsächlich noch was fragen wollen, als Lehrerin, weil ich natürlich... Wie gehe ich um damit? Ich weiß, in meiner Klasse gibt es, ich bin in einer Mittelschule, ich bin ganz sicher, in meiner Klasse gibt es armutsbetroffene Kinder. ich versuche sowieso generell viel zu ermöglichen, das einfach nichts kostet. Aber es gibt natürlich genug Dinge, die was kosten. Und es gibt aber auch immer die Möglichkeit von finanziellen Hilfen. Also es ist, wenn Eltern zu uns kommen und sagen, das geht gerade nicht, dann haben wir fast immer die Möglichkeit zu sagen, also mir fällt jetzt gerade, glaube ich, noch kein aktueller Fall ein, wo ich nichts hätte sagen können, dass wir sagen, ja, da gibt es diese oder jene Hilfe, oder wir erlassen es. Es gibt zum Beispiel dieses, dieses JÖ-Heft, das die Kinder bestellen, das kostet 20 Euro im Jahr. Und wir kriegen aber Freiexemplare. Und wenn dann jemand kommt und sagt: Mah, die 20 Euro, das ist mir zu viel, das geht nicht, dann sage ich, nein, ist überhaupt kein Problem, das Kind bekommt ein Freiexemplar. Was tue ich, dass die Eltern tatsächlich zu mir kommen? Weil wenn ich es nicht weiß, kann ich nicht helfen. Daniela: Wir haben zum Beispiel in ein paar Schulen da in Oberösterreich so ein Projekt laufen, wo die Eltern nicht am Elternabend direkt aufzeigen müssen oder die Kinder in der Klasse. Weißt eh so: Wer von euch braucht Hilfe? Sondern die Pädagog*innen geben einfach Kuverts aus, wo so ein Infoblatt drin ist, was fällt heuer alles an und dann halt einfach auch dabei ist, was geht sich für euch nicht aus? Wo wird es schwer? Und es ist aber auch immer ein Infozettel dabei, wie viele Menschen betrifft es in dem Bezirk? Wo ist die Armutsgrenze? Wo ist das Referenzbudget? Also wir geben auch immer diese Infos dazu. Sarah: Das finde ich großartig, das ist eine tolle Idee. Danke, Dani. Quati: Das ist fantastisch. Daniela: Gerne. Ja, gerne. Vor allem diese Referenzbudgets. Und auf einmal - und es müssen halt quasi alle Kinder und alle Eltern das wieder abgeben und niemand in der Klasse weiß, wer jetzt eine Hilfe braucht und wer nicht. Sprich, und es kommen dann ganz viele Rückmeldungen von den Eltern, weil die Pädagog*innen fragen dann trotzdem am Elternsprechtag bei den Eltern nach und die sagen: ja, mein Kind braucht jetzt nicht mehr in der Klasse aufzeigen oder ich nicht mehr am Elternabend. Das ist einmal so ein Weg und dadurch steigt wirklich die Zahl jener, die sich trauen, dass sie um Hilfe ansuchen. Weil es für nicht mehr beschämend ist. Sarah: Das Ärgste finde ich nämlich immer, wenn Kinder dann zum Ausflug, der 3,50 Euro kostet, dann einfach nicht auftauchen an dem Tag. Und du weißt, du bist eigentlich sicher, es ist, weil sie es sich nicht leisten können oder es ist sich nicht ausgegangen gerade oder was auch immer. Daniela: Ich habe zum Beispiel vor ein paar Wochen, nein, doch schon wieder Monate her, eine Veranstaltung gehabt, also einen Vortrag bei der Lehrer*innen-Gewerkschaft und das hat mich total fasziniert. Nach dem Vortrag ist ein Pädagoge auf mich zugekommen. Er war wirklich top gestylt. Tommy Hilfiger von oben bis unten. Er hat sich rausgestellt, er ist Musikpädagoge in einer NMS da ganz in der Nähe. Und hat sich halt bedankt, hat den Vortrag voll super gefunden und hat gesagt, naja, ob er mich kurz was fragen kann. Sage ich: ja, natürlich. Es ist darum gegangen, die Kinder haben noch quasi zwei Musikhefte gebraucht, ein paar Notenblätter, so Kleinzeug, wie man so schön sagt, ja. Aber gut, ich meine, geh einmal ein Notenheft einkaufen, kostet auch inzwischen, ich glaube, 3,50 Euro so in die Richtung. Und er hat gesagt, er ist die Kinder dann wirklich drei Tage nachgerannt und die haben es noch immer nicht gehabt. Sag ich: ja, wann war denn das? Sagt der, ja, gestern hat er das letzte Mal nachgefragt, Freitag vor einer Woche, hätte er das gebraucht. Das war Monatsende. Das war ein Datum, das war wirklich so, ich weiß nicht, 24., 25. Habe ich zu ihm eh gesagt, sag ich: um die Zeit haben Eltern, armutsbetroffene Eltern keine 6, 7 Euro mehr, die sie locker einfach hernehmen können für hefte. Sag ich, macht das mit einer Vorlaufzeit. Sag ich, gebt den Eltern drei, vier Wochen mindestens und macht das bitte gar nicht am Monatsende. Sarah: Monatsende ist es ja teilweise für nicht Armutsbetroffene eng. Daniela: Und der hat mich ein paar Wochen später dann wirklich angerufen, weil er gesagt hat, er hat das dem ganzen Kollegium auch gesagt und die haben alle selber gesagt: eigentlich ja logisch. Aber sie sind so im Alltag drinnen gewesen, dass sie überhaupt nicht daran gedacht haben. Und dadurch fällt es aber auch ganz vielen Eltern jetzt wieder leichter, dass sie die Sachen besorgen. Vor allem auch, weil es nicht über Nacht sein muss. Und das sind auch so Sachen, ich kenne es ja von meinen Kindern, die kommen am Abend heim, bitte bis morgen 12 Euro mitgeben. Ich habe wirklich Phasen gehabt, da habe ich meine Jacken durchsucht nach dieser Einkaufswagen Euro, damit ich das Geld noch zu zusammenkriege. Bitte lasst, also wirklich, Vorlaufzeit. Sarah: Voll, danke. Das ist ein wichtiger Hinweis. Quati: Also wir haben gerade alle, während die Dani erzählt hat, wir haben auch sehr heftig mit dem Kopf genickt, mit den Köpfen genickt, weil es irgendwie, wenn man das dann so hört, denkt man sich: eigentlich total logisch. Also eigentlich total logisch, aber ja. Daniela: Ja, wir sind alle, wir alle sind in einem Alltag drinnen. Jede und jeder von uns hat einen Tunnelblick, genauso wie ich viele Sachen nicht sehe, die außerhalb von meinem Tunnelblick sind. Aber das ist halt einfach, wenn man das selber erlebt hat, weiß man, was hätte... ich denke immer so: Was hätte mir das Leben damals erleichtert? Dass meine Kinder nicht in der Schule sitzen und wieder sagen müssen, nein, ich habe es heute nicht mit. Ich meine, wenn es etwas Hilfreiches aus der Zeit der Armut gibt, ist es das. Ich sehe die Sachen. Und das sehen aber halt betroffene Familien genauso. Und ich würde mir zum Beispiel wünschen, dass in die Gemeinden betroffene Familien mit einbezogen werden. Dass Gemeinden sich mit den Familien zusammensetzen und sagen, hey, ihr habt das Wissen, ihr könnt uns sagen, was braucht es, damit ihr euch leichter tut. Und da kämen die besten Lösungen raus. Weil es wird ja oft vorgeworfen, ja, Betroffene können das ja nicht einordnen oder könnten es nicht formulieren. Oder sehen die Welt durch eine komplett andere Brille. Nein, die wissen ganz genau, was sie wann brauchen. Und da geht es jetzt, natürlich, Geld hilft immer. Aber da geht es meistens nicht einmal ums Geld, sondern meistens wirklich um so Kleinigkeiten. Wann werde ich informiert, dass ich das zahlen muss? Solche Sachen. Sarah: Redet mit uns, nicht über uns, so wie eigentlich immer. Daniela: Genau. Würde viel einfacher machen. Manche wären überrascht. Quati: Es ist ein bisschen auch die Frage... ich meine, manchmal ist, oder sehr oft ist gut gemeint halt nicht unbedingt gut gemacht. Ich habe schon den Eindruck, dass bei vielen Menschen so der Wunsch doch da ist, irgendwie: ich will ja helfen, ich will ja was Gutes tun, ich will ja, das ist der intrinsische Antrieb, ja doch irgendwie etwas zu tun um Armut zu reduzieren, um Armutsbetroffenen zu helfen. Allerdings wird es halt dann auch oft sehr übergriffig, so quasi, ich tue jetzt was Gutes und ich entscheide aber, wie das ausschauen soll. Warum ist das so problematisch? Und warum, warum geht das gar nicht? Daniela: Da sind wir einfach an einem Punkt, wo es Nichtbetroffenen eigentlich nur darum geht, zu bestimmen und Macht auszuüben. So nach dem Motto, ich bring dir jetzt meine alten Klamotten vorbei, weil ich fühle mich dadurch besser und du hast ja froh darüber zu sein, weil du so hättest ja sonst gar nichts. Und das ist nicht gesund, das ist für beide Seiten nicht gesund. Entweder ich will helfen, dann kann ich entweder finanziell helfen oder mit Sachen, die die Betroffenen wirklich brauchen oder ich setze mich einfach medial und politisch dafür ein, dass Betroffene nicht auf Almosen angewiesen sind. Sarah: Es spricht ja gar nichts dagegen, zu sagen, hey du, bei mir sind Klamotten, die sind mir zu klein, zu groß, was auch immer, das könnte dir passen, magst du mal schauen, ob dich was davon interessiert. Da spricht ja überhaupt nichts dagegen, das ist ja im Sinn einer Weiterverwendung eine total gute Idee. Aber ich kann ja niemandem vorschreiben, was die jetzt anzuziehen hat. Daniela: Doch, doch, doch. Also das passiert täglich und das habe ich selbst schon erlebt. Also mir haben wirklich Leute früher angeboten, sie hätten Möbel für mich. Und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie das, ich meine, das war, ich habe wirklich einmal eine Couch gesucht, weil unsere Alte wirklich kaputt war. Da haben mir Leute ihre Couch andrehen wollen, die ich nicht einmal mehr zum Verschenken auf willhaben gestellt hätte. Die so versifft und so dreckig war. Und die waren dermaßen angepisst, wie ich gesagt habe, sorry, danke, voll lieb, aber ich schaue noch. Weil so nach dem Motto, wenn ich eh nichts habe, dann soll ich doch bitte dankbar sein um ihre Couch. Da erlebst du Sachen, das ist unglaublich. Oder was auch leider immer wieder vorkommt, ist, erst letztens wieder so einen Fall gehabt, der hat mich dann angeschrieben und hat gesagt: Dani, bin ich da abgehoben, wann ich die Hilfe ablehne? Warum? Weil, also eine von den sozialen Medien hätte ihm einen Einkaufsgutschein gegeben, damit er über die nächste Wochen kommt. Und die hat verlangt, dass er ihr die Rechnungen schickt, damit sie sieht, damit er eh kein Fastfood und keinen Alkohol kauft. Sarah: What the fuck? Daniela: Sowas passiert regelmäßig. Ich habe ihm dann natürlich gesagt, nein, es ist absolut nicht abgehoben, wenn du die Hilfe ablehnst. Ich habe dann geschaut, dass ich ihm einen Einkaufsgutschein schicke und da sind wir wieder eben bei diesem "ich bestimme, was dir zusteht". Da sind wir auch wieder bei den Hobbys. Also egal, ob es um Hobbys geht, um Lebensmittel, andere bestimmen, was wir haben dürfen. Und das ist, ich weiß nicht, warum das in unserer Gesellschaft so extrem drinnen ist. Weil die Leute wirklich immer noch glauben, wer auf Hilfe angewiesen ist, leistet - da sind wir wieder beim Leistungsgedanken, Quati - Leute glauben wirklich, wer auf Hilfe angewiesen ist, leistet zu wenig. Ich bin ja besser, weil ich habe mehr Geld als du. Du brauchst Hilfe, sprich, du leistest weniger. Heute war zum Beispiel ein interessanter Beitrag im Standard drinnen, wo ich echt nur noch mit dem Kopf geschüttel habe. Da ist es um Arbeit gegangen und um Sparen. Und da haben sie quasi einen relativ jungen Menschen vorgestellt, der nach der Matura dann Installateur gelernt hat und der so super sparsam ist und sich 500 Euro im Monat auf die Seite legen kann. Der hat von seinen Eltern ein Haus, in dem er allein wohnt, in dem er keine Miete zahlt, keine Betriebskosten zahlt, verdient 2400 Euro netto. Und ich denke mir erstens einmal: alter Schwede, wie privilegiert bist du? Du hast keine Fixkosten. Und zweitens, wieso kannst du dir dann eigentlich nur 500 Euro auf die Seite legen? Sarah: Das habe ich mir auch gerade gedacht. Quati: Ja same. Sarah: Was? 2500 Euro und du hast die zur freien Verfügung und du schaffst nur 500 zur Seite zu legen? Daniela: Ja, aber der wird dargestellt als der Leistungsträger schlechthin, weil der spart sie ja irgendwann auf eine Eigentumswohnung oder Eigentumshaus und das sind die Menschen, die bei uns als die wahren Leistungsträger gelten. Sarah: Ihr könnt das jetzt nicht sehen, aber wir sind ja alle nur am nicken und Kopf schütteln. Der Artikel ist, glaube ich, sogar noch online. Ich glaube, der ist heute oder gestern online gegangen. Also ich bin nochmal wirklich Kopf -> Tisch da gesessen. Quati: Schauen wir, dass wir den vielleicht in die Shownotes knallen. Ich werde mal schauen, dass wir den in die Shownotes hauen. Daniela: Und dann gibt es die anderen Menschen, die nicht das Privileg haben, dass sie kostenlos wohnen, die vielleicht eine schwere Erkrankung kriegen und die dürfen sich dann von solchen Menschen sagen lassen: du leistest weniger als ich, also darf ich bestimmen, was dir zusteht oder nicht. Und da werde ich, da werde ich wirklich ganz radikal, weil ich sage, nein, das, das, das sind wir nicht als Gesellschaft. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht nicht nur mehr in diese Richtung abdriften. So: Was gestehen wir Armutsbetroffenen zu? Ich sehe es zum Beispiel jetzt in meiner Familie wieder ganz stark. Ich meine, es geht uns jetzt besser. Jetzt hat aber mein Sohn, ich meine, der macht Tischlerlehre, taugt ihm voll. Der wollte jetzt den Führerschein machen, hätte nächstes Jahr Bundesheer gehabt. Und bei dem ist wirklich von einem Tag auf den anderen heuer Epilepsie gekommen. So. Hat eh lange dauert, bis wir die endgültige Diagnose gehabt haben. Jetzt haben wir es zum Glück geschafft mit dem Neurologen, mit den Medikamenten und mit seiner Firma gemeinsam, dass er in seinem Job bleiben kann. Die meisten haben aber das Pech, dass sie zum Beispiel dann relativ schnell gekündigt werden, weil wie willst du mit Epilepsie so einen Job machen? Das ist den meisten Betrieben zu unsicher. Er hat eine super Firma, die sagt, wir stehern das durch. In anderen Fällen wäre mein Sohn zum Beispiel jetzt seinen Job los. Wie lange brauchst du du dann, dass du sowas verkraftest, dass du wieder voll auf die Füße kommst? Er darf jetzt keinen Führerschein machen, er darf das Bundesheer nicht machen, was er immer wollte. Ich kann jetzt sagen, okay, wir stehen das durch, wir schaffen das irgendwie. Er hat jetzt eh seinen Job weiter, aber selbst wenn er ihn nicht mehr gehabt hätte, ich hätte ihn unterstützen können. Viele andere Familien können das nicht, wenn ein Kind schwer erkrankt. Das Kind hat dann nie die Chance, dass es wirklich gut verdient. Und das sollen dann keine Leistungsträger sein und wir bestimmen dann, was der Mensch haben darf und was nicht? Und ich meine, wir reden da nicht über Luxussachen. Sorry, aber das regt mich so auf. Quati: Wir verdauen all das, was wir hören, deswegen die Kunstpause. Ich meine, es ist ja, der Titel des Podcasts passt ja halt wirklich auch zu diesem Thema, ganz hervorragend, dieses "Österreich, what the fuck?!" Daniela: Perfekt. Quati: Weil ich mir gerade heute wieder sehr oft denke, so "What the fuck?!" und die Sarah hat es vorher, glaube ich, auch mal ausgesprochen: "What the fuck?!" Sarah: Es musste sein. Quati: es ist andererseits, und du hast jetzt eh einige Beispiele genannt, Dani, gibt es einfach doch immer wieder Handlungsmöglichkeiten. Du setzt dich einfach, wie ich es sonst noch nie gesehen habe, eben genau dafür ein, Lösungen zu finden und setzt deine ganze Expertise ein und das seit Jahren und hast Öffentlichkeit geschaffen und tust das auch weiterhin mit sehr viel Kraft und einer unglaublichen Authentizität, muss man an dieser Stelle auch mal sagen. Danke dafür, du bist eine enorm wichtige Stimme und schenkst auch immer wieder Zuversicht, eben, wenn man sie denkt: "What the fuck?!" Im Kleinen oder im Großen oder im nicht ganz so Großen und Halbkleinen gibt es doch immer wieder Perspektiven, dass man gewisse Dinge ändert. Wir sind jetzt an dem Punkt und das ist eine Frage, die wir ja jedem, jedem unserer Gäste, Gästinnen stellen. Ich meine, du hast jetzt eh schon einige "What the fuck?!"- Momente erzählt. Trotzdem die Frage... Sarah: Und produziert in der Sendung! Quati: Ja, und produziert! Trotzdem die Frage, wann hast du dir das letzte Mal gedacht "What the fuck?!" also sei es jetzt im Positiven oder im Negativen, gibt ja auch positive "What the fuck?!"- Momente, wann war das das letzte Mal bei dir? Daniela: Der letzte positive "What the fuck?!"- Moment war wirklich gestern. Von den negativen will ich jetzt gar nicht anfangen, weil bei negativ machen wir nochmal Kopf -> Tisch Ja, mag ich erzählen. Es ist eben so, dass Armutsbetroffene ganz, ganz schwierig in der Öffentlichkeit über ihre Situation reden, wenn sie es vorher zum Beispiel noch nie gemacht haben. Und ich habe gestern eine Veranstaltung in Linz gehabt, zum Thema Armut und Feminismus. Und ich habe in den letzten Jahren schon viele Veranstaltungen gemacht und es ist meistens so, dass wenn man quasi mit der Moderation vereinbart, man macht dann so eine Runde, wo alle Fragen stellen dürfen oder selber was sagen dürfen: du kannst eine Stecknadel fallen hören, wirklich. Wir haben dann immer schon so Ersatzprogramm, damit wir weiterreden. Und ich war gestern bei dieser Veranstaltung und da waren vorwiegend Frauen. Es war ein Stadtteilzentrum und es waren Frauen so, ich glaube die Jüngste war 25, 28, die Älteste war 85. Und wir haben mehr oder weniger so: wo ich von meinem Leben erzählt habe und von meinen Erfahrungen und habe vor allem das Thema angesprochen, wie weh mir das getan hat, mich immer mehr zurückzuziehen. Und dass ich die Menschen auch gar nicht bös' sein hab' können, aber wenn ich immer sage, nein, ich kann da nicht mitgehen oder mir immer Ausreden suche, weil ich mir das eben nicht mehr leisten habe können und die Menschen wissen nicht, warum, natürlich fragen sie dann irgendwann nicht mehr, dass du mitgehst. Und die Frauen haben alle zum Erzählen angefangen. Die Frauen haben eine nach der anderen ihre Lebenswege erzählt. Warum sie in die Situation gekommen sind. Es waren Krankheiten, Scheidung, Gewalt, Flucht und dann Gewalt, Wieder Scheidung. Also die Hauptthemen, warum Frauen in Armut sind, Care-Arbeit, nicht voll arbeiten können. Und du hast bei ganz vielen Frauen gemerkt, die erzählen das zum ersten Mal. Eine ist zum Beispiel da gesessen und hat sich auf einmal bedankt, dass ich das erwähnt habe, eben, warum ich mich zurückgezogen habe, weil sie das genauso, sie hat das wirklich genauso gemacht. Sie hat sich immer öfter Ausreden gesucht und irgendwann haben sie sie einfach nicht mehr gefragt. Und eine andere hat erzählt, der Sohn meldet sie nicht mehr bei ihr - die ist 85, die Frau - der Sohn meldet sie nicht mehr bei ihr, sie ist Mindestpensionistin, weil er will sie nicht erhalten und sie soll ja bitte selber auf ihr Begräbnis hinsparen, weil er finanziert das sicher nicht. Und du hast gemerkt, wie die Frauen teilweise gezittert haben beim Reden oder geweint haben. Wir haben dann auch so eine Runde gemacht, so: Was braucht ihr zum glücklich sein? Und dann war eine alleinerziehende Mutter da, die inzwischen in Pension ist. Natürlich, Depressionen, in Armut kommt alles dazu. Wir reden zwar ganz oft über Erkrankungen, aber dass Armut Depressionen auslöst, über das reden wir zum Beispiel ganz wenig. Und das wieder arbeitsunfähig macht, aber wurscht. Auf jeden Fall die Frau, alleinerziehende Mutter, die Kinder inzwischen eh aus dem Haus, die hat ihr Leben lang alles hintenangestellt, damit die Kinder Schule machen können, Ausbildung machen können, alles haben. Und die ist echt da gestanden und hat dann einmal so ins Leere geschaut und hat gesagt, ich weiß eigentlich gar nicht mehr, was mich glücklich macht, weil ich mir nie darüber Gedanken gemacht habe, weil ich nur mehr funktioniert habe. Und das hat mich eigentlich so hart getroffen, weil dieses nur mehr funktionieren habe ich auch so gut gekannt. Aber auf jeden Fall, dass da Frauen auf einmal sind, die in einer Runde, wo sie sich teilweise untereinander nicht kennen haben, teilweise schon, so offen zum Reden angefangen haben, ich würde mir das einfach so viel öfter wünschen und so viel regelmäßiger, weil es einfach die Leute bestärkt. Weil sie merken: okay, den anderen geht es genauso. Und es waren halt auch Leute dabei, die zwar viel über Armut reden, aber selber nicht erlebt haben und die sind gestern wirklich auch mit offenem Mund dagesessen. Die haben sich nicht vorstellen können, wie es den Frauen wirklich geht und was Armut mit ihnen macht. Und das war für mich so ein WTF-Moment im Positiven. Ich meine, nicht weil es die Frauen jetzt schlecht geht, bitte nicht, falsch verstehen, aber weil sie geredet haben. Sarah: Dani. Dankeschön. Und ich glaube, dieses miteinander reden und nicht den Mund halten über diese Sachen ist auch, was wir jetzt echt am Schluss alle mitnehmen können, davon, von dem Gespräch. Dann sage ich dir ganz, ganz herzlichen Dank, dass du da warst, dass du uns die Freude gemacht hast, mit uns zu reden. Irrsinnig gern und wir verabschieden uns von unseren Zuhörern und Zuhörerinnen. Danke, dass ihr dabei wart. Daniela: Und ich sage danke so sehr, für's dabei sein. Sarah: So gern! So gern, Dani, so gern. Und ihr denkt bitte dran, hinterlasst uns sehr gerne eine Bewertung dort, wo ihr uns gefunden habt. Tschüss. Quati: Ciao. Daniela: Ciao.