ÖsterreichWTF?!

Sarah Grundner/Kathrin Quatember

Special: Ein Opfer wird angeklagt

Über den Umgang mit Dr.in Lisa-Maria Kellermayr. Mit Barbara Kaufmann

11.04.2025 42 min

Zusammenfassung & Show Notes

+++ ACHTUNG: In dieser Folge sprechen wir über psychische Gewalt, Hass im Netz und Suizid. Wenn es euch gerade nicht gut geht, skippt diese Folge oder hört sie euch mit jemandem gemeinsam an. Wenn ihr gerade in einer Krise seid: Weiter unten findet ihr Informationen, wo ihr Hilfe bekommen könnt. Passt gut auf euch auf! +++

Ein Mann verschickt Hassnachrichten an die Ärztin Dr.in Lisa-Maria Kellermayr. Wenige Zeit später ist sie tot. Er ist einer von Vielen, landet vor Gericht und wird - zum Zeitpunkt der Aufnahme dieses Specials nicht rechtskräftig - freigesprochen. Beim Prozess wird ein Bild von Lisa-Maria Kellermayr gezeichnet, das der Ärztin und Expertin im Kampf gegen die Covid19-Pandemie und grassierende Falschnachrichten nicht gerecht wird. Wir gehen weit über den Gerichtssaal, in dem es um Beweis- und Rechtslage geht, die wir Jurist*innen überlassen, hinaus. Uns geht es um mehr als das Urteil. Wir setzen im Special den Fokus darauf, welche Bilder hier gezeichnet werden, warum diese problematisch sind und was all das für die Situation von Frauen bedeutet.

Unsere Gesprächspartnerin ist Barbara Kaufmann. Sie ist Filmemacherin und Autorin, schreibt für den deutschen Rundfunk Essays, hatte letztes Jahr den ersten Langfilm im Kino und arbeitet schon am nächsten.

Zu Barbara Kaufmann:
Ihre Webseite: https://barbarakaufmann.wordpress.com/about/
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Instagram: @barbara_kaufmann

Nachlese:
Colette M. Schmidt: Beim Kellermayr-Prozess saß das Opfer selbst auf der Anklagebank
Colette M. Schmidt: Welche Fragen nach dem ersten Prozess zur Causa Kellermayr offen bleiben
Werner Reisinger: Prozess um Kellermayr-Tod: Der Hass, den wir nicht sehen wollen

Hier bekommt ihr Hilfe:
FÜR ÖSTERREICH
Unter suizid-praevention.gv.at findet ihr Notrufnummern und Erste Hilfe bei Suizidgedanken. Gesprächs- und Verhaltenstipps insbesondere für Kinder und Jugendliche bietet bittelebe.at.

Österreichweite telefonische Hilfe:
Telefonseelsorge (0–24 Uhr, kostenlos): 142
Männernotruf (0–24 Uhr, kostenlos): 0800 246 247
Frauenhelpline (0–24 Uhr, kostenlos) 0800 222 555
Rat auf Draht (0–24 Uhr, für Kinder und Jugendliche, kostenlos):147
Kindernotruf (0–24 Uhr, kostenlos): 0800 567 567
Kriseninterventionszentrum (Mo–Fr 10–17 Uhr): 01 / 406 95 95,

Amike-Telefon der Diakonie für Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund.
Angebotene Sprachen: Farsi, Arabisch, Deutsch, Englisch und Russisch, beschränkte Telefonzeiten)

Spezielle Nummern und Anlaufstellen in den Bundesländern gibt's hier

FÜR DEUTSCHLAND
Telefonseelsorge: 0800 1110111 / 0800 1110222 oder 116 123
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Nummer gegen Kummer für Kinder und Jugendliche: 116 123
Nummer gegen Kummer für Eltern: 116 111
Liste von Beratungsstellen für psychosoziale Hilfe

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Titelfoto (c) Kathrin Quatember

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Transkript

Hey, wir sind... Kathrin, die meisten von euch kennen mich unter dem Spitznamen Quati. Und Sarah. Content Note Heute sprechen wir über psychische Gewalt, Hass im Netz und Suizid. Wenn es euch gerade nicht gut geht, bitte skippt diese Folge oder hört sie euch mit jemandem gemeinsam an. Wenn ihr in einer Krise seid, ihr findet Informationen, wo ihr Hilfe bekommt in unseren Shownotes. Bitte passt gut auf euch auf. Lisa Maria Kellermayr war Ärztin und Expertin, wenn es um die Behandlung von Covid-19-PatientInnen ging. Wir kennen die Bilder von ihr. Einst zeigt sie vor winterlich nebliger, verschneiter Lanschaft. Die Ärmel ihrer weißen Jacke wegen der Kälte ineinander geschoben, schaut sie mit lachenden Augen über ihrer FFP2-Maske in die Kamera. Der Wind zerzaust ihre Haare. Ich mag dieses Foto so sehr. So halte ich sie auch in meiner Erinnerung. Ja, ich auch. Ich habe auch unglaublich viel von ihr gelernt und sie immer gern auf Twitter gelesen. Als praktische Ärztin betrieb sie eine Ordination in Seewalchen am Attersee, kümmert sich im hausärztlichen Notdienst um PatientInnen und war in der Pandemie eine starke und wichtige Stimme, wenn es darum ging, sich für Aufklärung und Information zu Covid und den Nutzen der Impfung stark zu machen. Als Ärztin und Wissenschaftlerin kämpfte sie nicht nur gegen das Virus selbst, sondern auch gegen Falsch- und Fehlinformationen. Ich habe damals in Linz in Oberösterreich gelebt und gearbeitet. Direkt auf der Landstraße, das ist quasi die Hauptstraße durch die Stadt, und kann mich noch gut an eine dieser Demos erinnern, wo Galgen herumgetragen wurden und gegen WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen aufs Übelste polemisiert und gehettet wurde. Ich habe mir das damals aus der Nähe angeschaut. Es war extrem bedrohlich. Dieser geballte Zorn und Hass. Im November 2021 kritisierte Lisa Maria Kellermayr TeilnehmerInnen einer solchen Demonstration von ImpfgegnerInnen vor dem Klinikum in Wales in einem Tweet, Haupteingang und Rettungsausfahrtblut zu blockieren. Eine zweite Zufahrt als Ausweiche für die Rettungsautos war offen gewesen und Lisa Maria löschte ihren Tweeter. Die Polizei tat das mit einem Posting, in dem sie Lisa Marias Kritik als Falschmeldung bezeichnete, jedoch nicht. Eine fatale Dynamik wurde dadurch ausgelöst. Lisa Maria twitterte dazu. Dieser Tweet, also sie meinte damit jenen der Polizei, ist Grundlage für eine Flut an Beschimpfungen, Verleumdungen, Drohungen und größten Anstrengungen von Anhängern der Szene, mir größtmöglichen Schaden zuzufügen. Er dient als Begründung, mich eine Lügnerin zu nennen, eine Hexe. Es wäre jedoch zu wenig, allein das als Ursache des Hasses und Drohungen gegen Lisa Maria anzusehen. In einem Klima aus Radikalisierung, False Balance, Empathie und Verständnis für Positionen eines teils von rechtsextremen Akteuren angeführten Online- und Offline-Mobs gingen jene, die unter deren Attacken besonders litten, weitgehend unter. Für Lisa Maria hatte genau das ganz konkrete existenzielle Auswirkungen. Eine Flut an Hassnachrichten und konkreten Drohungen bis hin zu sehr konkreten Morddrohungen stürmte auf sie ein. Sie investierte eine enorme Summe in die Absicherung ihrer Praxis, stellte eine Security ein, um sich selbst und ihre MitarbeiterInnen zu schützen. Ihr wurde ausgerichtet, sie möge sich einfach nicht mehr so in die Öffentlichkeit stellen, solle sich zurückziehen. Vorwürfe, sie würde sich nur deswegen so produzieren, um ihr eigenes Fortkommen anzutreiben, liegen vor dem, was dann passierte, besonders schwer. Ja, absolut. Es suggeriert, die Ärztin wäre selbst daran schuld gewesen, dass sie zum Feindbild gemacht wurde. Und nicht etwa ein Bündnis aus rechtsextremen Medien, wissenschaftsfeindlichen und verschwörungsideologischen AkteurInnen, aus der Mitte der Gesellschaft, fehlender Solidarität und misogynen Hatern. Hater, die gerne als radikalisierte Einzelfälle präsentiert werden, jedoch, und jede in der Öffentlichkeit stehende Frau wird das bestätigen können, genau das nicht sind. Von ihnen gibt es ja viele. Am 29. Juli 2022 beendete Lisa Maria Kellermayr in ihrer Praxis ihr Leben. Wieder begleitet von Häme, Spott und Hass. Eine Ärztin, die nichts anderes getan hatte, als ihre Profession ernst zu nehmen, sich um PatientInnen zu kümmern und sich öffentlich eindeutig im Sinne genau dieser Profession zu positionieren, wurde auch nach ihrem Tod noch weiter durch den Dreck gezogen. Die Frau mit den lachenden Augen, die mit Waffe und Kompetenz vermutlich mehr als nur ein Leben gerettet hatte und mit Vehemenz für die Gesundheit ihrer PatientInnen eintrat, ist tot. Ich kann mich noch so gut an diesen Tag erinnern. Ich saß gerade mit meiner Familie im Zug auf dem Heimweg aus dem Urlaub und sag noch, Nein, bitte nicht Sie. Aber die nächste Schlagzeile hat meine Befürchtungen bestätigt. Und dabei kommen mir heute noch die Tränen. Wir springen in die Gegenwart. Ein 61-jähriger Bayer wird in Wels freigesprochen. Er hatte Lisa Maria Kellermayr Mails geschickt, in denen er sie als Kreatur bezeichnet und ihr mit Wir beobachten dich gedroht hatte. Er werde sie vor ein noch einzurichtendes Volkstribunal und ins Gefängnis bringen. Die Begründung für den Freispruch. Man könne nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass diese Drohungen sich auf den Suizidentschluss ausgewirkt hätten. Und das, obwohl Lisa Maria den Mann in ihrem Abschiedsbrief ausdrücklich erwähnt hatte. Im Prozess selbst hören wir Einlassungen von ZeugInnen. Lisa Maria hätte mit Drogen pragmatisch umgehen und sich zurücknehmen sollen. Es wird das Bild einer Frau gezeichnet, die psychisch instabil in ihren Aussagen widersprüchlich gewesen sei, die immer wieder mit Phasen der Niedergeschlagenheit gekämpft habe. Ich frage mich, worauf das alles hinaus will. Dass Lisa Maria sich so oder so umgebracht hätte und die Drohmails deswegen keine Rolle gespielt haben? Dass es eh wurscht war, weil die Ärztin in Hass und Drohungen untergegangen ist? Was ist die Schlussfolgerung daraus? Dass man auf die, die ohnehin schon fertig gemacht werden, bedenkenlos draufhauen kann, weil man nur einer unter vielen ist und einem da ohnehin nichts passiert? Gerichte machen ihre Arbeit. Eine juristische Bewertung all dessen steht uns nicht zu und soll ExpertInnen überlassen werden. Als Frauen, die selbst mehr als genug Erfahrungen mit Hass und Drohungen im Netz haben, stellen wir uns andere Fragen, weil dieses Urteil nicht im Vakuum des Gerichtssaals gesehen werden kann, sondern natürlich eine politische Dimension hat. Wir fragen uns, warum ist die verständlicherweise belastete Psyche einer Frau eine Legitimation dafür, sie mit Hass überschütten zu dürfen? Warum wird immer noch so getan, als würden ein Rückzug und der Verzicht, sich öffentlich zu äußern, Hass und Hetze einfach abstellen? Wir wissen, dass das nicht funktioniert und wir wissen auch, was solche Ratschläge bei Betroffenen anrichten. Es ist eine Schuldumkehr. Die Opfern von Hass on und offline, die Verantwortung für das Gehasstwerden umhängt. Pathologisierung des Opfers ändert an den Taten der Hater nichts. Warum wird so getan, als ob? Und nicht zuletzt frage ich mich, was wäre gewesen, wäre Lisa Maria ein Zissmann? Also nicht nur, was das Urteil betrifft, sondern in Bezug auf alles, was ihr passiert ist. Dieses nicht ernst genommen werden, dieses abgeschasselt werden. Als wäre ihre berechtigte Sorge übertrieben gewesen und irrational. Lisa Maria war meinungsstark und kompetent, empathisch und engagiert. Sie hat sich genau nicht zurückgezogen, genau nicht den Mund gehalten. Lauter Eigenschaften, aus denen Heldengeschichten bestehen. Wenn der Held ein Zissmann ist. Ihr merkt, wir stellen uns viele, viele Fragen. Lisa Marias Geschichte, ihr Schicksal und das, was ihr selbst posthum noch zugemutet wird, hat uns dazu bewogen, dieses Special zu machen. Dazu haben wir uns auch dieses Mal wieder jemanden ins Studio eingeladen. Barbara Kaufmann ist Filmemacherin und Autorin. Du schreibst für den Deutschen Rundfunk Essays, hattest letztes Jahr deinen ersten Langfilm im Kino und arbeitest schon am nächsten. Hallo, danke für die Einladung. Schön, dass du da bist. Ich freue mich auch sehr. Die Colette Schmidt titelt ihren Kommentar zum nicht rechtskräftigen Freispruch von Roman M. im Standard. Beim Kellermayr-Prozess saß das Opfer selbst auf der Anklagebank. Unabhängig vom Freispruch sendet der Prozessin Wels ein beklemmendes Signal an Frauen. Seid still, dann passiert euch schon nichts. Und der Journalist Werner Reisinger schreibt in der Augsburger Allgemeinen, Der Prozess ist somit auch ein Spiegelbild einer Gesellschaft, die lieber auf eine mögliche Mitkausalität auf Seiten der Opfer blicken will, als auf die Aggression, die von Verschwörungsgläubigen und Rechtsextremen ausgeht. Barbara, wir haben da gleich in Bezug auf diesen Einstieg von mir eine Frage. Und zwar, wie schaust du auf dieses Bild, das da von der Dr. Lisa Maria Kellermayr gezeichnet wird? Also ich habe diesen Prozess verfolgt, auch im Standard. Ich habe auch die Texte von der Colette Schmidt gelesen, die ich sehr schätze. Und ich habe das als extrem beklemmend empfunden. Also für mich auf zwei Ebenen. Auf einer gesellschaftspolitischen Ebene, auch auf einer persönlichen. Du, wir alle Frauen im Netz, Online-Hass kennen. Wir alle haben das schon erlebt. Es gibt keine Frau, die sich auf Social Media exponiert, die ihre Meinung kundtut, die etwas zu sagen hat, die nicht in irgendeiner Form schon erlebt hat, dass sie angegriffen wird, beschimpft wird oder bedroht wird. Auch das haben so gut wie alle Frauen, die ich kenne, schon erlebt. Und ich glaube, das war diese persönliche Komponente, die mich so zusätzlich betroffen gemacht hat, zu dem Fall an sich, der in seiner ganzen Tragik unglaublich bewegend ist, heute noch, finde ich. Also mir ist immer, wenn ich irgendwie damit konfrontiert werde, habe ich immer noch ein Ziehen im Magen und denke mir, was da eigentlich Fürchterliches vorgefallen ist. Ich kann mich noch gut erinnern an Elisa Maria Kellermayr, wie sie auf Twitter in den ersten Tagen, da ist sie mir schon aufgefallen, in der Pandemie schon aufgefallen ist, wenn ihr Fragen habt und informiert habt und so weiter. Und sie war so eine wahnsinnig positive Figur. Ich kann mich auch noch an das Interview erinnern, dass sie dem Rudi Fussi unter einer Tasche Strobl gegeben hat. Das habe ich damals auch geschaut, weil das auch so ein Interview war, das extrem viel Hoffnung gegeben hat, finde ich, und auch Unterstützung. Ich habe mich von dieser Frau, die ich nie getroffen habe persönlich, immer so beruhigt gefühlt und auch sehr, sehr gut informiert und auch irgendwie in Sicherheit gefühlt bei ihr. Ich habe so den Eindruck gehabt, da ist eine Ärztin, die redet mit mir auf einer Ebene, für die muss ich keine Expertin sein, für diese Krankheit und die hat vor allem eins, etwas Beruhigendes. Und so habe ich sie immer wahrgenommen auf Twitter. Und dann habe ich das verfolgt über die, ich weiß nicht, ob ihr das auch mitbekommen habt, sozusagen in Echtzeit, wie dann der Ton ihr gegenüber immer radikaler wurde und immer aggressiver wurde. Habt ihr das damals auch mitbekommen? Ja, voll. Ganz massiv, ja. Ganz massiv. Es war so, für mich war das damals so ein, ich habe sie auch in diesem Interview mit der Natascha und dem Rudi gesehen und ich hatte da noch den Eindruck, okay, ich fühle mich ernst genommen von ihr, ich fühle mich abgeholt und sie ist eine Expertin. Sie hat ja damals mit dem Asthma-Spray auch experimentiert und tolle Sache und ich hatte den Eindruck, ja, da sitzt jetzt jemand, die kümmert sich um uns, die passt auf uns auf und habe dann, dann war sie in einem Fernsehinterview noch, ich weiß jetzt gar nicht mehr wo, und da hat sie aber überhaupt nicht über ihre Expertise reden dürfen, sondern sie ist nur befragt worden, als wie ist es da draußen. Und sie ist überhaupt nicht als Expertin wahrgenommen worden. Und ich frage mich zum Beispiel auch, ob das nicht völlig anders gewesen wäre, wenn sie ein Mann gewesen wäre, ob da ihre Expertise nicht mehr gezählt hätte. Ich glaube, die Colette hat doch in dem Text, wenn ich mich jetzt richtig erinnere, auch dieses Gedankenexperiment gewagt. Und wenn sie ein Mann gewesen wäre, hätte man dann gesagt, Herr Dr. Kellermayr, aus seiner Hausarztpraxis, ein mutiger, widerständiger und so. Also man findet dann immer andere Adjektive. Und ich glaube, das war ja auch etwas, was sie selbst sehr bewegt hat, weil sie hat ja auch selbst geschrieben, warum wird mir sozusagen nicht eine Expertise zugesprochen, weil ich eine Frau bin, weil ich, also sie hat das ja selbst auch thematisiert, weil ich jung bin, glaube ich, hat sie noch gesagt. Und ich finde, es hat, also es hat, um jetzt wieder zurückzukommen, zu dem Urteil und zu dem Prozess, den ich verfolgt habe, ich habe ihn erst extrem beklemmend wahrgenommen und ich finde, es hat so eine wahnsinnig deprimierende und frustrierende Note, dieses Urteil und auch dieser, vor allem dieser Umgang vor Gericht mit ihr. Ich habe da die Texte auch von der Collette Schmidt dazu gelesen und ich fand, dass dieses Psychologisieren wirklich auf einem Hobbyniveau, also das muss man wirklich sagen, ich habe nicht Psychologie studiert, ich habe Drehbuch studiert und wir haben, glaube ich, sechs Stunden verpflichtet Psychologievorlesung oder acht und ich habe das Gefühl, dass selbst auf der Filmakademie Wien quasi das Drehbuchstudium mehr fundiert mit Psychologie und psychologischen Begriffen umgegangen ist, als dort vor Gericht. Es waren unfassbare Aussagen dabei, die mich also wirklich auf so vielen Ebenen wirklich wütend gemacht haben und auch wirklich schockiert haben, weil ich mir tatsächlich gedacht habe, es sagt doch zum Beispiel, ich fange an mit dem Unsäglichsten, dass der Anwalt des Hassposters des Mames, der sie da wirklich bedroht hat und ihr wirklich sozusagen Leid zugefügt hat, dass der dann sagt, ja, die Frau Dr. Gellermeyer war ja hysterisch, also diesen Begriff überhaupt noch zu verwenden, ohne dass es da einen Einspruch gibt, weil das ist, das ist eben ein Irrtum zu denken, ja, das ist halt ein Begriff, den hört man nicht gerne. Nein, das ist ein Begriff, der wird seit 30 Jahren nicht mehr verwendet oder länger in der Fachwelt. Der Begriff der Hysterie ist völlig gecancelt worden. Man spricht heute von dissoziativer Störung oder dissoziativen Zuständen, aber das Hysterie, diesen Hysteriebegriff von Freud, den gibt es nicht mehr. Und hysterisch ist mittlerweile ein Addict, das überhaupt nicht mehr verwendet wird, von irgendjemandem seriösen. Und dass das dann quasi verwendet wird und eine Person damit angesprochen wird, die sich nicht einmal verteidigen kann, weil sie nicht vor Ort ist, mit der Geschichte, die sie hat, mit dem tragischen, schrecklichen Ende, das sie gefunden hat, das habe ich so, das habe ich wirklich bemerkt, das hat mich wirklich emotional erschüttert. Es ist auch, ich habe das so, ich habe den Protestiker mitverfolgt und kenne auch jetzt nur das aus dem Prozess, was eben da getickert wurde. Und was mir auch so aufgefallen ist, da wird irgendwie dein Leben zerlegt, du lebst nicht mehr, aber dein Leben wird zerlegt, von, also bis hin zu, weiß ich nicht, Übernachtungen in Hotels, und vielleicht Diskontinuitäten in dem, was Lisa Maria Kellermayr, wie sie bestimmte Dinge anderen erzählt hat, whatsoever. Und ich habe mir nur gedacht, das tun wir doch alle, dass wir bestimmte Situationen, je nachdem mit wem wir sprechen, vielleicht manche Dinge weglassen, vielleicht andere Dinge bewusst erzählen, und dass das jetzt auf einmal problematisiert wird, war für mich schon so ein Ding, wo ich mir gedacht habe, Entschuldigung, aber das ist, warum ist das auf einmal ein Problem? Das ist das eine. Und das zweite ist auch so, weil ich mir gedacht habe, wenn ich auf meine eigenen Krisen schaue, oder gerade in der Pandemie, ich war damals im Community Management, als Professionalistin unterwegs, und habe extrem viel mit diesem Hass und mit dieser ganzen Wucht auch zu tun gehabt. Und ich denke mir nur, wenn würde man heute auf mich drauf schauen, wie es mir in der Zeit ging, und auch mit den Folgen, die das auch für mich hatte, wäre wahrscheinlich eine ähnliche Erzählung über mich dabei rausgekommen. Und das ist so, mich hat das so, wie dich auch Barbara erschüttert, weil ich mir einfach nur gedacht habe, Es ist so eine perfide Strategie, das als Verteidigungsstrategie anzulegen, jemand anderen so, ich habe mir nur gedacht, da wird bewusst missverstanden, da wird bewusst ausgelassen, wer Lisa Maria Kellermayr gewesen ist, und was ihre Rolle auch in der Pandemieaufklärung war, was ihre Rolle als Impfärztin gewesen ist. Ich glaube, das hat ja auch die Colette geschrieben, die Lisa Maria war Impfärztin, es wurden damals Impfärztinnen, gerade in Oberösterreich gebraucht. Das war ein Dienst an der Republik. Das ist das Erste. Und ich glaube auch, dass wir Frauen alle vielleicht den Eindruck hatten, die wir auch online arbeiten, du bist Community Managerin, du bist auch schon lange auf Twitter, jetzt auf Blue Sky. Ich glaube, dass wir Frauen alle das Gefühl hatten, dass ein wenig auch unser Schicksal dort verhandelt wird. Ja, also natürlich ist das überzeichnet, weil wir nicht dasselbe Schicksal teilen, das die Lisa Maria Kellermayr erlebt hat. Aber was wir schon teilen mit ihr, ist, dass wir eben auch erleben, was es bedeutet, wenn du bedroht wirst, was es bedeutet, wenn du angegriffen wirst. Und ich glaube, das Zweite, was einem so in den Knochen sitzt, ist tatsächlich eine perfide, ist ein gutes Wort, eine perfide Strategie, nämlich, dass ganz offensichtlich gesellschaftliche Probleme individualisiert werden. Das heißt, wir haben das, wir kennen das, wir kennen das von welchen Themen, wir kennen das von Femiziden, wir kennen das von Sexismus, wir kennen das von sexuellen Übergriffen, wir kennen es, dass man uns, wir kennen es von Vergewaltigungen, wir kennen es, dass man uns sagt, das, was da passiert ist, ist nicht das Resultat eines gesellschaftlichen Problems, eines Strukturproblems, es ist das Resultat von persönlichen Entscheidungen, es ist ein individuelles Problem. Wir kennen das daher, dass man sagt, ja, jetzt in diesem Fall sagt man nicht, hier ist eine Frau massiv angegriffen worden und ihr Schicksal zeigt uns ganz deutlich einen wahnsinnigen gesellschaftlichen Missstand, nämlich das Fehlen von jeglicher Rechtsprechung online. Das ist so. Wir erleben jeden Tag, dass das passiert, es ist völlig egal, echtes Recht gilt nicht im Online-Bereich, das erlebt jede von uns permanent. Und statt, dass man darauf das Augenmerk legt und sagt, das war nicht möglich und ihr zu helfen, es war nicht möglich, etwas zu tun, weil sich auch niemand bemüht hat, weil es auch keine gesetzlichen Gegebenheiten gab dafür, weil es keine Polizei gab, die geschult war, das kommt noch dazu. Also diese ganzen Missstände, statt das zu tun, sagt man, ja, das muss ja wohl wahrscheinlich in ihrer, Krankengeschichte liegen oder das muss in ihrer Persönlichkeit liegen, dass sie darauf so reagiert hat und was mich daran auch wieder so wütend gemacht hat oder so verblüfft eher, dass man damit ja auch jegliche Studienlage psychologisch ignoriert. Es würde es diese Studie nicht geben, dass natürlich hat es einen Effekt auf einen Menschen, wenn er jahrelang oder monatelang Mobbing und Hass ausgesetzt ist im echten Leben, im Online-Leben. Da gibt es Studien dazu, da gibt es Untersuchungen, das ist wirklich kalter Kaffee, das wissen wir. Das ist einfach empirisch festgestellt. Was macht man jetzt aber? Man sagt nicht, dieses Verhalten ihr gegenüber hat erst bei ihr ausgelöst. Ängste, Rückzugserscheinungen, dass man sich zurück, dass man nicht mehr darüber spricht, wie es einem geht, dass man sozusagen eben in diese Gedankenwelt kommt, die ja wirklich so eine Spirale dann wird. Es gibt keinen Ausweg mehr. Nein, man dreht es um, ignoriert vollkommen alle Studien, alles und sagt, nein, diese Frau war in ihrer Verfassung so schlecht, dass ihr das so viel ausgemacht habt. Etwas, dass jeder Person etwas ausmacht. Das hat mich so verblüfft daran, wie man da quasi argumentiert, als ob es keine wissenschaftlichen Untersuchungen gibt, als ob es das alles nie gegeben hätte. Und das Zweite, was ich daran auch wirklich, wirklich, also unfassbar gefunden habe, das war dieses, dieses, diesen Umgang mit Suizidalität. Also auch das ist ein wirklicher Kardinalfehler, finde ich, in der Besprechung, in diesen Zeugenaussagen zu dem Prozess, was ich mitbekommen habe, wie man so tut, als ob Suizidalität nicht immer das Resultat von mehreren Faktoren wäre. Es gibt keine Monokausalen. Und am allerschlimmsten ist dieses, dieses quasi, dieses, dieses Charakterisieren ihrer Persönlichkeit. Da gab es doch jemanden, der gesagt hat, sie war so überschießend. Was ist überschießend? Überschießend bedeutet, wir kennen das alle aus dem, im Alltag bewendet man das so, er hat eine überschießende Fantasie, sie hat überschießende Fantasie. Was bedeutet das? Das bedeutet, diese Person ist nicht ganz ernst zu nehmen. Also das heißt, sie ist vielleicht in ihrer Emotionalität oder in ihrer Art, sich auszudrücken, kann man sie nicht ernst nehmen. Und da sind wir dann wirklich beim Psychopathologisieren von Frauen seit Jahrhunderten. Dass wir sagen, ja, die Frau, alles, was an der Frau sozusagen in die Gefühlswelt geht, in die Wahrnehmung geht, das ist auf jeden Fall krankhaft. Und dann sind wir dabei, dass wir Frauen deshalb absprechen, dass sie verantwortungsvolle Positionen in der Gesellschaft einnehmen können und, und, und, was ja Jahrhunderte der Fall war. Und das ist für mich wirklich ein Rückschritt in dunkelste Zeiten, wenn man sich das anschaut, dass man sich, das mag jetzt der einen oder anderen Hörerin vielleicht übertrieben vorkommen, aber für mich war das wirklich so richtig wie eine Textcollage aus der Vergangenheit, aus den 1950er Jahren, wo man dann sagt, ja, sie war so überschießend und ich habe sie so und so erlebt, als ob es wirklich keinerlei, als ob sich nichts geändert hätte. So war das. Und es war natürlich der Beigeschmack, und dann bin ich schon fertig mit diesem, da sitzt jemand auf der Anklagebank, über den kaum gesprochen wird. Ich hätte viel lieber etwas darüber erfahren, was der Herr, was sich dabei gedacht hat, sich so zu verhalten. Ist bei ihm etwas Psychisches festgestellt worden? Was sind die zukünftigen Schritte für ihn? etc. Oder wird er jetzt wieder quasi in die Freiheit entlassen, was er ja wurde, und kann jetzt halt der nächsten Frau Drohungen schreiben? Und stattdessen wird nur über das Opfer gesprochen. Also es war wirklich, es war ein finsteres Ereignis, finde ich, wirklich. Also für mich ist dieses Urteil vor allem ein dickes, Fett, das halt die Fresse an alle Frauen, die sich irgendwie öffentlich bewegen. Quati, wie du es vorhin gesagt hast, ich bin völlig überzeugt, jede Frau, die man so auseinander nimmt, könnte man auseinander nehmen, völlig beliebig. Weil zu irgendeinem Zeitpunkt hat jeder von uns irgendwas gehabt, dass man da dann so ein Täteropferumkehr verwenden kann. Und alles, was mir dieses Urteil sagt, ist, er bewegt dich lieber nicht im öffentlichen Raum. Halt dich bedeckt, zieh dich zurück, sei nicht so laut, melde dich nicht so oft, zeige am besten gar nicht, dass du da bist, speziell nicht, wenn du nicht so bist, wie dich die Gesellschaft gern haben möchte. Also als hübsches, unterwürfiges Mädel bist du schon gern gesehen, zumindest gesehen, wenn auch nicht gehört. Aber alle anderen, ihr seid eh nicht mehr wichtig, haltet den Mund, dann passiert euch nichts. Und das ist für mich eine implizite Drohung in diesem Urteil drinnen, nämlich ein, wir wollen euch gar nicht schützen. Das ist egal. Also das ist ein Gefühl, das du da beschreibst, das ich sehr gut verstehen kann und auch sehr gut nachvollziehen kann, weil du damit ja auch, weil du damit so viel ansprichst, finde ich, was richtig ist, dass man tatsächlich den Eindruck haben könnte, wir haben ja auch so oft erlebt, schon im Vorfeld schon, als es, als Lisa-Maria Kellermayr sich noch lautstark darüber beklagt hat, so recht, dass sie im Stich gelassen wird, hat man ihr schon ausgerichtet, sie soll doch ruhig sein. Also das ist, ich erinnere mich an ein Interview im Mittagsjournal, wo das jemand tatsächlich auch so wortwörtlich jetzt nicht, aber so in der Art gesagt hat, ja, dann soll sie lieber ruhig sein, dann soll sie doch lieber nichts sein. Und ich kann verstehen, dass du das so empfindest, weil es tatsächlich nicht anders zu interpretieren ist. Und natürlich kann man jeden Menschen, jede Person zerlegen und man kann immer Täter, Opfer, Umkehr machen. Man muss es nur rhetorisch, man muss es nur behauptend in den Raum stellen. Und wenn wir jetzt zu mehr sind, das kennen wir auch aus psychologischen Experimenten, wenn wir zu mehr sind, dann werden wir irgendwann das so umgedreht haben, Und das war wirklich sehr unangenehm, es war auch sehr unangenehm, was mir persönlich immer sehr wehtut und mich wirklich betroffen macht, ist immer, wenn ich sehe oder hören muss oder lese, dass eine Frau, eine andere Frau ihr in den Rücken fällt, eine andere Frau abwertet, eine andere Frau sozusagen klein macht. Und ich fand wirklich, dass sich die allermeisten Zeuginnen auch vor Gericht da keinen großen Gefallen getan haben. Also wie man sich da hinstellen kann. Und da geht es auch nicht um Mitgefühl oder es geht nicht um diese Kategorie oder Pietät oder so. Über diese moralischen Kategorien möchte ich gar nicht sprechen. Ich wäre schon zufrieden, wenn man sich an fachliche Expertisen halten würde, wenn man sagen würde, Ja, aber was ist denn da quasi, man hatte ja wirklich das Gefühl, es ging da so um Befindlichkeiten. Wie haben Sie, Frau Dr. Kellermayr, in meinem Funken? Ja, Sie war ein bisschen überschießend. Danke für Ihr Gefühl. Und es ging eben nicht um ein tatsächliches Klassifizieren ihres Zustandes, was ja auch niemand hätte tun können, weil sie ja auch niemand, soweit ich das gelesen habe, untersucht hätte. Und das ist einfach, es ist so ein schiefes Bild auf so vielen Ebenen. Und ich glaube, es trifft bei so vielen Frauen so einen inneren Schmerz, den sie kennt, den wir alle kennen, weil uns das allen schon mal passiert ist, dass man, dass man, dass es etwas als psychosomatisch abgetan wird, was uns quält, dass also ein körperliches Schmerz oder dass etwas, das uns stört, das wir beobachten, nicht ernst genommen wird, eine Wahrnehmung von uns nicht. Und stattdessen werden wir psychologisiert. Warum ist denn das so bei dir? Das ist wahrscheinlich dein individuelles Problem. So wie wir eben, um diesen Bogen zu machen zum Thema Femizide, das hat mir die Yvonne Wiedler, meine Freundin und Kollegin, beigebracht, die ja dieses wunderbare Buch geschrieben hat, Heimat, bist du toter Töchter, dass wir, auch bei Femiziden gibt es immer wieder die Tendenz, das zu individualisieren. Das war das Problem dieser Beziehung. Familientragödie. Genau. Eine Familientragödie. Familientragödie, Eifersuchtsdrama. Und da ist genau dasselbe, dass man einfach die ganzen gesellschaftlichen Gründe dafür ausblendet und sagt, das muss ein individuelles Problem sein, was es natürlich auch nicht ist, so wie Gewalt gegen Frauen kein individuelles Problem ist und auch Sexismus und auch Hass gegen Frauen und auch nicht das Schicksal von Lisa Maria Kellermayr. Wenn man ehrlich ist und man sich das ansieht und man schaut in die Vergangenheit, es gab einfach schon zu viele Fälle von Frauen, die tatsächlich nicht mehr leben, weil sie so massiven Online-Mobbing ausgesetzt waren. Und ich finde, was man auch nicht außer Acht lassen darf, ist, Oberösterreich war in der Pandemiezeit ein ganz besonderes Biotop, nicht im positiven Sinn. Ich habe eine große... Du bist Oberösterreicherin. Ich bin Oberösterreicherin. Ich habe auch damals in Linz gearbeitet, direkt auf der Landstraße, wo eine dieser sogenannten Demonstrationen auch, die waren eh permanent präsent, aber eine so eine riesen, riesen Veranstaltung, kann ich mich noch erinnern, wo da Galgen spazieren getragen wurden. Und ich habe mir das wirklich, ich habe mich da hineinbegeben, ganz bewusst. Ich habe mir das angeschaut, bin da nebenbei mittendrin gestanden und gegangen. Und es war so... Dieses Gefühl war so bedrohlich. Und vor allem dieses... Darüber wird, wenn wir permanent über Aufarbeitung dieser Zeit sprechen, worüber nämlich gar nicht geredet wird, das war eine völlige Grenzenlosigkeit von Leuten aus der Mitte der Gesellschaft, die da innerhalb kürzester Zeit eingestiegen sind auf abgrundtiefen Hass, auf Verachtung. Und das ist ja auch was, was gerade, denke ich mir, wenn man als Ärztin aktiv ist und nichts anderes als den Job macht, die Profession ausübt. Diese Grundstimmung an sich war ja schon so schlimm. Die Grundstimmung war schon schlimm. Und ich kann mich erinnern, ich musste jetzt daran denken, wie du das mit dem Galgen gesagt hast. Es gab in Deutschland eine ähnliche Demonstration, da haben sie das auch an den Galgen getragen. Und da hat dann der Jan Böhmermann auf Twitter gesagt, damals noch, das ist ein Wahnsinn, an die Polizei angeschrieben. Und die Polizei hat dann wirklich zurückgeschrieben, wir haben den Galgen geprüft. Also das war quasi die Reaktion, das Galgen ist nicht gefährlich oder es ist quasi entspricht dem Richtlinien. Ich habe keine Ahnung, aber das ist so, das zeigt, ich fand das immer so eine Anekdote, die so zeigt, in was für einer völlig verrückten Welt, also etwas verrückt sich, etwas verschiebt sich, wir damals gelebt haben und in was für einer Welt dann auch die Lisa Maria Kellermayr gelebt hat. Und auch wenn ich mir das gar nicht vorstellen mag, wenn das die Leute sind, die dir Tag und Nacht Kommentare schreiben. Also das muss ein Ausmaß gewesen sein an Aggression und Hass und auch persönlichen Drohungen. Ich kenne ja nur diese ganz bekannten Briefe, die an Scheußlichkeit nicht zu überbieten sind, mit diesen detaillierten Folterfantasien. Ich weiß nicht, wie man damit umgehen soll. Und ich frage mich auch da, was hat denn da irgendeine Vorerkrankung von ihr, so es die gegeben haben mag, das weiß ich nicht, das wissen wir alle nicht, weil das sind ja auch Behauptungen, die wurden ja keine Dokumente gezeigt. Was hat die damit zu tun, dass sie so darauf reagiert? Also welcher Mensch, man müsste ja die Gegenfrage stellen, welcher Mensch würde denn das nicht auf so etwas reagieren, psychisch und dann auch physisch? Also jeder nimmt eine Form von körperlicher Beschwerde, ob das Kopfschmerzen oder sonst was. Jede und jeder würde ja da auf so etwas reagieren und dass das so unter den Tisch geklärt wird, dass man da so tut, ja, naja, das ist wahrscheinlich ein individuelles Problem gewesen. Was kann der Mann dafür, der halt gern seinen Hass ins Netz schreibt? Das ist halt so, da kann man nichts machen. Hoffentlich macht er das jetzt weiter, weil jetzt ist er ermutigt, dass ihm eh nichts passieren kann. Ende der Debatte. Und das glaube ich wirklich, also es ist nicht einmal ein Ausdruck, es ist eigentlich ein Ausdruck gesellschaftlichen Versagens, dieses Urteil. Es ist wirklich ein Versagen. Völlig. Völlig. Was mir dabei auch noch sehr aufgestoßen ist, war, dass der Freigesprochene als Aktivist bezeichnet wurde, oder das, was er tut, als Aktivismus. Weil das ist was anderes. Wenn wir das als Aktivismus bezeichnen, dann legitimisieren wir das alles. Dann ist es Aktivismus, jemanden Vergewaltigungsdrohungen zu schicken. Nur weil dir die Nase nicht passt. Weil ja der NSU war auch eine Art von Aktivismus, muss man dann sagen. Ja, also vielleicht sind wir dann wirklich, na ernsthaft, das ist so, es ist so komisch, weil, wie du richtig sagst, das ist ja auch ein Begriff, Aktivistin, Aktivist, der ja sehr oft verbunden ist mit dem Eintreten für Ideale. Ja, was ist denn sehr ideal? Dass man im Netz irgendwie Frauen zerstören darf verbal? Also das ist ein Ideal, dass man Leuten Drohungen schicken darf? Das ist ja ein völliger Unsinn. Also das finde ich auch, da hast du recht, das ist eine perverse Uminterpretation eines Begriffes, der das auch nicht hergibt und nicht verdient hat. Aber ich glaube, dass dieser Punkt, dieser eine Satz, den du gerade vorher gesagt hast, ist, es ist ein gesellschaftliches Versagen, tatsächlich der Schluss ist, den wir daraus ziehen können. Und es ist halt auch ein häufiger Schluss, den wir, wenn es um Femizide geht, wenn es um Mobbing und Gewalt und Hass gegen Frauen geht, gegen queere Personen, gegen Minderheiten, es steht dann immer wieder dieser Satz am Ende, es ist ein gesellschaftliches Versagen. Ja, aber es ist eigentlich ein gesellschaftliches, es ist ein Nicht-Wollen in vielen Fällen, weil ja sehr oft dann kommt, auch gerade bei Femiziden, kommt sehr oft, wenn man dann wirklich die Protokolle durchliest, auch von Gerichtsverhandlungen oder eben, wenn dann PolitikerInnen gefragt werden, naja, was soll man machen? Es ist immer so, wir wissen jetzt auch nicht genau, es ist ja doch in der Familie und so. Und ich weiß nicht, aber feministische WissenschaftlerInnen und ForscherInnen und JournalistInnen wie die Yvonne Wiedler, die haben ja einen Katalog davon, die VertreterInnen von Gewaltschutzorganisationen, was man tun kann. Und ich glaube, auch da bei Hass im Netz ist es so, es weiß ja jeder, dass es sozusagen brennt. Das ist ja wirklich ein Problem, das wir jetzt schon seit Jahrzehnten langsam haben, dass die Rechtsprechung, die im echten Raum gilt, nicht im Online-Raum gilt und dass das nicht mehr geht. Das ist ja eine, wir sagen immer, ja, die Verrohung der Gesellschaft, wie konnte es so weit kommen? Dort, wo Gewalt legitim ist, wird sie ausgeübt. Das ist das menschliche Wesen. Wenn Gewalt belohnt wird, dann übt man Gewalt aus. Wenn Online-Gewalt von anderen bejubelt wird, dann werde ich Gewalt ausüben, wenn das nicht reguliert wird. So ist es halt. Und wenn du da nicht reinfasst, nämlich juristisch reinfasst, wird das einfach immer mehr eskalieren. Und es ist ja schon eskaliert und es eskaliert auch weiter. Und wenn du im echten Leben, wenn ich jetzt bei meiner Nachbarin läute und sage, wenn du noch einmal sowas sagst, bringe ich dich um, dann werde ich mir ziemlich anzeigen wahrscheinlich, weil das eine Drohung ist und dann werde ich eine Strafe bekommen. Wenn ich ins Netz schreibe, der Quarti schreibe, ich bringe dich um, ich bringe dich um, wird mir wahrscheinlich nichts passieren oder sehr wenig, wenn überhaupt. Und ich glaube, solange du das nicht anziehst und das einmal wirklich auch politisch als Priorität setzt, solange werden wir weiterhin erleben, dass Menschen weggemobbt werden und Meinungen weggemobbt werden und dass Menschen online zerstört werden durch solche Hassattacken. Und genau jene Menschen, die du aufgezählt hast. Menschen, die zu Minderheiten gehören, Menschen, die zu vulnerablen Gruppen gehören, Menschen, die nicht die mächtige Mehrheitsgesellschaft präsentieren, die quasi sich, ich möchte so zu Verschwörungsbildern, die sich die Welt aufteilen, aber einfach Menschen, die nicht über reale Macht verfügen. Und das ist eine riesige Bedrohung. Und natürlich, wenn man dann Leuten zuhört, die sich auskennen, natürlich hat das was damit zu tun, dass extreme Meinungen häufiger werden. Dann haben wir die Algorithmen, dann haben wir die radikalen Blasen und dann sind wir dort, wo wir heute eh sind, de facto. Also wir müssen ja eh auf nichts mehr warten, dass es keinen Kanzlertitel gab. Das war ja wirklich, der stand ja vor der Tür schon. Und ich glaube, dass das ein riesiges gesellschaftliches Problem ist, dass einfach in diesem Prozess absichtlich, ich weiß nicht, Hilflosigkeit, Ahnungslosigkeit, man muss ja auch oft sagen, vielleicht sind Menschen ahnungslos, oft steckt einfach Inkompetenz hinter etwas, nicht unbedingt Bösartigkeit, aber es wurde verschwiegen. Stattdessen, und das war perfide und das war nicht hilflos, und das war auch nichts Ahnungslosigkeit, stattdessen hat man bewusst das Opfer, das nicht mehr lebt, in den Mittelpunkt gestellt. Und zwar negativ in den Mittelpunkt gestellt. Und das war der eigentliche Skandal an diesem Prozess. So, Barbara, danke, dass du dir die Zeit genommen hast, zu uns zu kommen. Eine Frage habe ich noch an dich, weil wir stellen sie jedem, der zu uns kommt. Aber ich glaube, diesmal musst du nicht sehr lange suchen. Wann hast du dir das letzte Mal What the Fuck gedacht? Positiv oder negativ? Ich glaube, es war tatsächlich, als ich den Artikel von der Colette gelesen habe, und da dieser Moment war, wo gestanden ist, ihr Kommentar, nämlich der sehr gut war, dass sie eben so, dass man sie so psychologisiert hat, das Opfer psychologisiert hat, und dass man geschrieben hat, auch darüber gesprochen hat, dass sie so überschießend war. Und da habe ich mir gedacht, jetzt reicht es eigentlich. Ja, also das kann nicht sein. Das ist einfach 70 Jahre zu spät quasi. Wir müssen aufhören mit diesem Mist. Das geht einfach nicht mehr. Da habe ich mir das gedacht. Dann danke dir ganz, ganz herzlich für deine Zeit und deine Expertise. Ja, sehr gerne. Es hat mir ganz großen Spaß und Freude gemacht, euch zu sehen und zu hören. Dankeschön. Und mir bleibt, dass ich mich von unseren Zuhörenden verabschiede. Ihr könnt uns gerne eine Bewertung hinterlassen, wo ihr uns gefunden habt. Und ihr findet uns in den sozialen Medien, wenn ihr uns einen Kommentar hinterlassen wollt. Dankeschön. Bis zum nächsten Mal. Tschüss. Ciao.