ÖsterreichWTF?!

Sarah Grundner/Kathrin Quatember

Special: Österreichische Innenpolitik WTF?!

Analyse mit Werner Reisinger.

05.01.2025 47 min

Zusammenfassung & Show Notes

Wir sind Kathrin und Sarah und unterhalten uns mit Menschen, die ihr aus völlig anderen Zusammenhängen kennt über außergewöhnliche Dinge, die ihr bisher nicht wusstet.

Diesmal unterhalten wir uns mit Werner Reisinger über die aktuelle österreichische innenpolitische Situation.

Werner Reisinger ist Journalist, studierter Zeithistoriker und Politikwissenschafter. Seit 2005 war er als Redakteur und Gestalter für den ORF (ua. Club 2, Zeit im Bild, Im Zentrum) tätig, von 2015 bis 2019 Innenpolitikjournalist für die „Wiener Zeitung“. Seit 2020 ist er Wien-Korrespondent der deutschen "Augsburger Allgemeine" und schrieb auch im Österreich-Team der "Süddeutschen Zeitung".

Bluesky: @wernerreisinger.bsky.social

Quellen & Lesetipps:
Anton Pelinka “Der Preis der Salonfähigkeit. Österreichs Rechtsextremismus im internationalen Vergleich” https://www.doew.at/cms/download/bvfs9/pelinka_rechtsextremismus-1.pdf













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Transkript

Sarah: Hey, hier sind Quati: Kathrin Sarah: und Sarah. Quati: In den letzten paar Tagen war in Österreich innenpolitisch so viel los, dass unsere deutschen NachbarInnen und generell Menschen außerhalb Österreichs irgendwie den Überblick verloren haben. Sarah: Ich kann Ihnen das echt nicht übel nehmen. Es ist ja auch wirklich kompliziert. Quati: Deshalb haben wir uns gedacht, wir machen für euch eine Zusammenfassung. Zu eurer Info. Wir nehmen diese Folge am 5. Januar/Jänner am Abend auf. Sarah: Also, previously in Österreich. In der Republik Österreich wurden gerade die Koalitionsverhandlungen abgebrochen. Und das, obwohl hier sehr viel auf dem Spiel steht. Quati: Dann lass uns doch mal kurz vorstellen, wer hier eigentlich alles mitspielt. Die handelnden Personen: Herbert Kickl, Obmann der Freiheitlichen Partei Österreich. Die Freiheitliche Partei ist als rechtsextreme Partei einzustufen. Warum, wieso, weshalb? Könnt ihr beispielsweise bei Anton Pelinka nachlesen. Ihr findet den Text in den Shownotes. Nun, diese Freiheitliche Partei erzielte bei den Nationalratswahlen im September 2024 28,8 Prozent und erreichte vor der ÖVP und der Sozialdemokratischen Partei Platz 1. Im Wahlkampf präsentierte sich Herbert Kickl als sogenannter Volkskanzler. Ja, ihr ahnt es, das ist ein historisch einschlägiges und problematisches Wording. In ihrer Ideologie ist die Freiheitliche Partei vergleichbar mit der deutschen AfD. Und die beiden Parteien sind erwartungsgemäß eng miteinander verbunden. Sarah: Im Wahlprogramm fordert die Freiheitliche Partei Dinge wie eine Meldestelle gegen politisierende Lehrer*innen, lehnt die medizinische und pflegerische Versorgung von Asylwerber*innen ab mit wenigen Ausnahmen, setzt auf völkische und ideologische Homogenisierung und die Ablehnung einer diversen Gesellschaft, reproduziert diverse Verschwörungserzählungen rund um die Pandemie und die WHO. Das Recht auf Asyl soll durch ein Notgesetz ausgesetzt werden und nur 4 Prozent der Wahlberechtigten verpflichtende Abstimmungen über die Regierung oder Gesetzesreformen auslösen können. Zum Beispiel die Wiedereinführung der Todesstrafe. Quati: In wiederkehrender Regelmäßigkeit findet ein Teil der österreichischen Wähler*innenschaft, dass man der FPÖ doch endlich eine Chance geben solle. Das Ende freiheitlicher Bundesregierungsbeteiligungen, gepflastert mit fragwürdigen politischen Entscheidungen, ist jedenfalls beständig von krachendem Chaos begleitend. In der Regierung Kurz I war Herbert Kickl Innenminister. Gegen ihn wird er aktuell wegen mutmaßlicher Falschaussage ermittelt. Wir packen euch dazu einen Link in die Schownotes. Quati: Und dann ist da noch Karl Nehammer. Bis vor kurzem Obmann der konservativ-bürgerlichen österreichischen Volkspartei und ebenfalls bis vor kurzem Bundeskanzler der Republik Österreich. Bekannt wurde der Sebastian-Kurz-Nach-Nachfolger durch eine Burgerpolemik für Menschen mit niedrigem Einkommen. Wider Erwarten hielt er sich immerhin drei Jahre auf dem Bundeskanzlersessel. Von Jänner 2018 bis Jänner 2020 war er unter der Regierung Kurz Generalsekretär der ÖVP. Unter der Regierung Kurz II war er Innenminister. Nehammer trat am 4. Jänner als Bundeskanzler und ÖVP-Obmann zurück. Als Obmann wurde er interimistisch beerbt von Generalsekretär Christian Stocker. Quati: Auch wenn die ÖVP gern so tut, als hätte sie mit diversen Budgetlöchern und sonstigen Regierungsentscheidungen nichts zu tun, so sitzt sie seit 1987 durchgehend in der Regierung, lediglich unterbrochen durch eine kurze Expert*innenregierung unter Brigitte Bierlein von Juni 2019 bis Jänner 2020. Entgegen der Behauptung, mit Herbert Kickl nicht zu können, hat die ÖVP keinerlei Berührungsängste mit der Freiheitlichen Partei. In den vergangenen 25 Jahren regierte die ÖVP insgesamt dreimal auf Bundesebene mit den Freiheitlichen, begleitet von krachenden Skandalen, diversen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, Prozessen und zivilgesellschaftlichen Protesten. Derzeit regiert die ÖVP in mehreren Bundesländern gemeinsam mit der FPÖ. Sarah: Ich erinnere mich, die Donnerstagsthemos. Bei der Angelobung von Schlüssel 1 war ich auch auf dem Ballhausplatz. Quati: Ja, ich auch. Jetzt zu Andreas Babler. Seit Juni 2023 ist er Obmann der Sozialdemokratischen Partei. Am meisten bekämpft von so manchen in der eigenen Partei, schaffte er im parteiinternen Vorsitzwahlkampf mehrere tausend Neueintritte. Nach der Nationalratswahl führte er die Sozialdemokratische Partei in Koalitionsverhandlungen mit ÖVP und NEOS. Er gilt als progressiver Vertreter der österreichischen Sozialdemokratie, setzte bei der Wahlprogrammerstellung auf Expert*innenräte und intern auf eine Verstärkung der Mitgliederbeteiligung. Sarah: Historisch gilt die SPÖ neben der ÖVP als eine der nach 1945 staatstragenden und -gründenden Parteien. Die Ära Kreisky gilt bis heute als legendär. Gesellschafts- und sozialpolitisch wurde in horrendem Tempo politische Pflöcke eingeschlagen, die Österreich bis heute prägen. "Bruno Kreisky würde heute..." gilt gewissermaßen als sozialdemokratischer Superlativ, um innerhalb der sozialdemokratischen Partei den jeweiligen Positionen nachdrückliche Gewichtung zu verleihen. Quati: Ich überlege gerade, wer fehlt denn jetzt noch? Sarah: Oh, da fehlt uns noch Beate Meinl-Reisinger. Bei politischen Kommentator*innen wird immer diskutiert, ob die liberalen NEOS mit der FDP vergleichbar sind. In puncto mit dem Kopf durch die Wand wollen, mögen gewisse Parallelen bestehen, sieht man sich die Performance in den aktuellen Koalitionsverhandlungen an, aus denen sich die NEOS nach drei Monaten schließlich verabschiedeten. Im Gegensatz zu anderen Parteien sind die NEOS jedenfalls erstaunlich stabil, was den Vorsitz betrifft. Beate Meinl-Reisinger ist seit Juni 2018 deren Vorsitzende. Quati: Was die Programmatik betrifft, so gibt es jedenfalls keine großen liberalen Überraschungen. Unternehmer*innentum yay, Ablehnung von Vermögens- und Erbschaftssteuern, Markt regelt, jeder ist seines Glückes Schmied etc. pp. Sarah: Meinst du, Margaret Thatcher würde die NEOS mögen? Quati: Und jetzt last but not least Werner Kogler und die Grünen. Eins muss man den Grünen lassen. Sie haben ohne vorzeitige Nationalratswahlen die Legislaturperiode als Juniorpartner der ÖVP mit Werner Kogler als grünem Vizekanzler durchgezogen. In einer Pandemie und in wirtschaftlich nicht gerade einfachen Zeiten. Wirklich glücklich wirkten sie dabei selten. Die eine oder andere mutige Entscheidung war aber allemal dabei. Sarah: So stimmte die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler für das EU-Renaturierungsgesetz. Der Koalitionspartner ÖVP und diverse ÖVP-Bünde schäumten erwartungsgemäß. Sarah: Danke, Leonore. Quati: Danke, Leonore. Quati: In Österreich zu fragen, was ist denn nun schon wieder passiert, bringt selten bis nie positive, aber auf jeden Fall immer aufregende Nachrichten. Die aktuelle Ausgangssituation kurz zusammengefasst in dem Wissen, dass es morgen schon wieder anders sein könnte. Ein paar Zahlen. Bei den Nationalratswahlen kam die FPÖ mit 28,8 Prozent auf Platz 1 und gewann mehr als 12 Prozent dazu. Die österreichische Volkspartei verlor den ersten Platz und mit ihm gleich 11 Prozent und kam auf 26,3 Prozent. Gefolgt von den Sozialdemokrat*innen, die mit 21,1 Prozent weder verloren noch dazu gewonnen hatte. Dahinter landeten die Neos mit 9,1 Prozent mit leichtem Zugewinn und die Grünen mit 8,2 Prozent und schweren Verlusten. So weit, so gut die Zahlenspiele. Nun wollte anfänglich niemand mit den Freiheitlichen. ÖVP, SPÖ und Neos gingen also in Sondierungsgespräche und schließlich in Koalitionsverhandlungen. Verhandlungsgruppen wurden gebildet und zumindest nach außen schien man durchaus motiviert zu sein, sich zu einigen. Sarah: Kaum dreht man sich um, um das Geschirr von der Silvesterfeier wieder im Küchenkastel zu verstauen, gehen die Koalitionsverhandlungen krachen. Was ist passiert? 3. Jänner 2025: Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger erklärt den Ausstieg ihrer Partei aus den Koalitionsverhandlungen. Sie vermisst die Bereitschaft zu grundsätzlichen Reformen seitens ÖVP und SPÖ. ÖVP und die Sozialdemokratische Partei wollten dennoch weiter verhandeln. Eine Mehrheit im Nationalrat wäre theoretisch gegeben gewesen. Mit genau einem Mandat. Quati: Nur einen Tag später, am 4. Jänner, bricht die ÖVP die Verhandlungen mit der Sozialdemokratie ab. Karl Nehammer kündigt den Rücktritt als Bundeskanzler und ÖVP-Obmann an. Als geschäftsführender Obmann folgte dem ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Nun ging es Schlag auf Schlag, war bis vor kurzem noch eine ganze Latte an führenden ÖVPler*innen dezidiert gegen eine Zusammenarbeit mit Herbert Kickl. So wird nun das eintreten, was Politikbeobachter*innen schon geraume Zeit befürchteten. Eine abermalige Regierungszusammenarbeit von ÖVP und Freiheitlicher Partei. In welchem Setting, ob mit ÖVP oder freiheitlich geführtem Kanzleramt. Who knows? Quati: Wir haben uns für die Analyse einen Kenner der österreichischen Innenpolitik ins Studio geholt. Werner Reisinger ist Journalist und Wien-Korrespondent für die Augsburger Allgemeine. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, heute so spontan in unser Studio zu kommen. Das ist ganz großartig. Sarah: Schön, dass du hier bist. Werner: Gerne, Kathrin. Hallo Sarah. Sarah: Du, jetzt ist ja nicht das erste Mal schwarz-blau. Wir hatten das das erste Mal im Jahr 2000. Was hat sich denn da jetzt eigentlich geändert? Warum ist das jetzt so was anderes? Werner: Naja, ich würde mal sagen, die Rahmenbedingungen, unter denen das Ganze stattfindet, sind doch vollkommen unterschiedlich im Vergleich zum ersten Mal. Man muss auch dazu sagen, noch ist ja nichts wirklich in trockenen Tüchern. Es schaut jetzt mal alles danach aus. Aber wer weiß, was da die kommenden Tage und Wochen noch bringen. Aber ich denke, es gibt zwei wesentliche Unterschiede zu den Nullerjahren, als es zum ersten Mal so eine Konstellation gab, die jetzt möglicherweise wieder kommt. Das erste ist auf der Hand liegend. Das sind die unterschiedlichen Kräfteverhältnisse. Wir haben es eben nicht mit einer zweitstärksten Partei zu tun, FPÖ, einer extrem rechten Partei, die halt nur zweitstärkste Kraft hat, sondern die eben die Wahlen gewonnen hat und die noch zusätzlich in den Umfragen immer weiter zulegt in den letzten Monaten. Das ist einmal das Erste. Wir haben also sozusagen nicht die Konservativen oder die Sozialdemokraten in dem Fall, die da anschaffen können, sondern wir haben die extreme Rechte, die das dominiert. Und der zweite wesentliche Punkt, denke ich, sind die internationalen Rahmenbedingungen, dass es eben nicht mehr so ist, dass Österreich im Falle einer rechtsextremen Regierung damit rechnen muss, dass es starken internationalen Widerstand, dass es starke internationale Kritik geben wird. Das war in den Nullerjahren der Fall. Wir erinnern uns, es gab damals die Sanktionen, die damals verhängt wurden gegen Österreich. Und dieser starke Druck hat ja auch dann dazu geführt, dass der Jörg Haider, der damals die Freiheitlichen angeführt hat, eben nicht sozusagen Vizekanzler werden konnte und dann jemand anderen vorschicken musste. Das war eine eigentlich sehr typisch österreichische Lösung. Also man tritt halt zur Seite ein bisschen, zieht im Hintergrund die Fäden und versucht irgendwo so ein bisschen das Gesicht zu wahren. War irgendwie, finde ich, sehr typisch für Österreich. Und das hat natürlich sehr viel mit dem Druck zu tun, der damals aus dem europäischen Ausland eben kam. Jetzt haben wir heute eine vollkommen andere Situation. Es gibt viele rechtspopulistisch, rechtsextrem geführte Regierungen in Europa. Es ist quasi einfach nichts Besonderes mehr. Und damit kann auch der Herbert Kickl, der jetzt sozusagen vor dem Erreichen seines politischen Ziels steht, braucht sich da nicht fürchten, dass es sozusagen da zu massiven internationalen Verwerfungen kommen könnte, beispielsweise auf der EU-Ebene. Es ist halt einfach nichts Besonderes mehr in dem Sinne. Und das stärkt halt auch den Herbert Kickl, abgesehen davon, dass er in der Partei auch sehr fest im Sattel sitzt, muss man sagen, h alt ziemlich. Es führt halt dazu, dass er sich diese Dinge nicht mehr überlegen muss. Und dass er aus einer ganz anderen Position jetzt, einerseits ist er der Stärkste, internationalen Druck gibt es auch keinen mehr, dass er aus einer ganz anderen Position jetzt die nächsten Tage beschreiten kann. Quati: Also ist Blauschwarz unter einem Kanzler Kickl absehbar? Man muss dazu sagen, an die Zuhörenden, ich habe da gerade sämtliche Newsseiten offen, weil es wirklich irgendwie ständig sein könnte, dass irgendwas Neues daherkommt. Aber es ist sozusagen, es geht ja fast keinen Weg mehr oder es geht kein Weg mehr vorbei an einem Kanzler Kickl unter Stützung der ÖVP, oder? Wie siehst du das? Werner: Ich gehe davon sehr aus. Also wenn man heute den jetzigen neuen Mann an der ÖVP-Spitze gesehen und gehört hat, den Christian Stocker, der jetzt nach Nehammer übernommen hat, das war ja extrem, wie man sich da einzementiert hat, also mit Kickl auf keinen Fall, das geht ganz sicher nicht. Und er war ja auch nicht der Einzige, das war ja eine ganze Reihe an ÖVP-Ministerinnen, Ministern und Spitzenpolitikern, die das ausgeschlossen haben. Das war die Linie und die ist in einer derartigen Geschwindigkeit und so fundamental über Bord geworfen worden, dass ich mir das ehrlich gesagt nicht mehr vorstellen kann, dass man da noch irgendwie zurückkommt. Und man hat sich einfach vor den Journalistinnen und Journalisten aufgebaut und gesagt, okay, das war halt ein dreckiger Wahlkampf. Und im Übrigen haben sich ja alle da ganz furchtbare Dinge ausgerichtet. Der Herr Kickl ist ja selber auch kein Kind von Traurigkeit und war ganz gemein und hat furchtbare Sachen gesagt. Aber auch der Andreas Babler, der war auch schlimm. Aber jetzt ist das halt einmal so, es ist jetzt alles anders. So quasi, was kümmert uns unser Geschwätz von gestern? Und wenn man sich sozusagen diese, wie soll man das so ausdrücken, diese Dreistigkeit irgendwie sozusagen wirklich ohne jeglichen, wie soll man sagen, ohne jegliche Hemmung einfach das so über Bord zu werfen, dass es einem einfach egal ist, was man da monatelang gesagt hat, wenn man sich das vor Augen führt, da würde ich jetzt schon einmal sehr davon ausgehen, dass da schon ziemlich viel auf Schiene ist. Und ja, der Herbert Kickl selber dürfte ja noch abwartend sein. Der sagt ja nach wie vor in den etablierten Medien ja nichts, sondern schreibt vielleicht heute mal so einen Facebook-Post, wo er sagt, ja, jetzt warten wir mal ab, aber es bewegt sich eh alles schön in unserer Richtung, mehr oder weniger jetzt zwischen den Zeilen gelesen. Also ich gehe nicht davon aus, dass da noch irgendwie anders kommen könnte. Wie siehst du das, Sarah? Sarah: Also ich wollte eigentlich nachfragen bei dir, dieses Blau-schwarz, Kanzler Kickl. Ich habe es ja direkt nach der Wahl schon befürchtet, wo ich gesagt habe, es gibt keine Mehrheit jenseits von Schwarz-Blau. Und wenn die eine Mehrheit haben, dann kommt es. Jetzt haben sie drei Monate lang verhandelt. War es vorher schon abgemacht? War das Show oder war das echt? Ich weiß nicht. Ich weiß überhaupt nimmermehr. Werner: Das ist eine sehr gute Frage. Allerdings ist es in Wirklichkeit, wie soll ich sagen, es sind einfach theoretische Überlegungen, was war da ausgemacht oder nicht. Ich glaube, es ist so, es gibt einfach wirklich in der ÖVP zwei Gruppen, so banal, das immer wieder erzählt worden ist. Und ich glaube, es ist einfach so. Es gibt einfach zwei Gruppen. Es gibt die einen, die sich tatsächlich wirklich vor dem Herbert Kickl als Person nämlich gefürchtet haben. Man darf das nicht missverstehen als irgendwie so einem Antifaschismus. Ich glaube, das sind zwei Motive. Das eine ist, dass man halt doch auch ein bisschen Angst hat um das internationale Standing, aber dann eher nicht, was die Kritik angeht, wie ich vorher gesagt habe, sondern eher sozusagen auch wieder, was Wirtschaftsstandort und so weiter angeht. Aber ich glaube, wichtiger noch ist einfach sozusagen die Angst vor Kickl, weil der einfach nicht berechenbar ist für sie. Wenn man den jetzt vergleicht mit anderen Kräften in der FPÖ, die halt hauptsächlich auch wieder wirtschaftsorientiert agieren wollen und die vielleicht viel berechenbarer, auch viel konzilianter sind gegenüber der ÖVP, dann ist es, glaube ich, auf jeden Fall so, dass man einfach vor ihm Angst hat. Und man weiß auch um das Trauma, das er erlebt hat mit der ÖVP. Man darf das nicht vergessen. Der hat in den Nullerjahren ein extremes erstes Trauma gehabt irgendwie mit seinem eigenen Parteichef, muss man auch sagen, der dann irgendwie die Partei verlassen hat, um dann irgendwie eine neue Partei zu gründen, eine rechtspopulistische, kurzlebige, mit der er dann koaliert hat mit der ÖVP. Das hat er als Verrat empfunden vom Haider, aber auch von der ÖVP. Und jetzt sozusagen vor kurzem erst nach Ibiza dieses, wie soll man sagen, Trauma mit Sebastian Kurz. Das heißt, Herbert Kickl ist, glaube ich, eine Person, wo die ÖVP davon ausgeht, dass das kein typischer Politiker im üblichen Sinne ist, dass es ein sehr ideologisierter, auch verbohrter Charakter ist, der aufgrund seiner Erfahrungen einfach sagt, okay, ich bin so oft betrogen worden, ich bin so oft quasi hinter das Licht geführt worden, jetzt mache ich das selber und jetzt verspiele ich das auch nicht. Und man darf nicht vergessen, Herbert Kickl ist, glaube ich, auch einer, der sehr viel Erfahrung hat, der sein politisches vis-à-vis sehr gut einschätzen kann. Und durch diese lange Erfahrung, die er mit diesem Politikbetrieb hat und seinen Enttäuschungserfahrungen, hat er jetzt einfach wirklich das fixe Vorhaben, das dieses Mal alleine zu Wege zu bringen. Und ich denke, davor fürchten sich, oder haben sich viele in der ÖVP gefürchtet, abgesehen von anderen pragmatischen Überlegungen, die vielleicht irgendwas auch mit Optik zu tun haben. Das ist das eine. Aber da gibt es eben sozusagen die anderen, und das sind sicher auch weiter rechtsstehende ÖVP-Politiker, die selber mit den ideologischen, wie soll man sagen, gesellschaftspolitischen Vorstellungen, die die extreme Rechte haben, halt auch kokettieren oder die auch diese teilen. Und dazu kommt noch was ganz was Simples auf der realpolitischen Ebene, wenn man sich die Verhandlungen für die Dreierkoalition ansieht, die geplatzt sind durch die Liberalen, durch den Ausstieg der Liberalen. Da ist es auch ganz einfach für eine machtpolitische Partei wie die ÖVP, denen es darum geht, vor allem all das zu sichern, was sie sich in Jahrzehnten im Staatsapparat, in den Ministerien, in der staatsnahen Industrie aufgebaut haben, das aufs Spiel zu setzen oder eben sozusagen bewahren zu wollen. Da ist es ja ganz logisch, wenn ich da mit zwei Parteien koalieren, mit einer Wirtschaftsliberalen und den Sozialdemokraten, da kriege ich ja viel weniger ab hier. Und das dann sozusagen teile, ist es gar nicht so verwunderlich, finde ich, dass es eben die wirtschaftsliberalen oder von mir aus marktradikalen Teile eben der Wirtschaftsbund und die Industriellen Vereinigung waren, die dann gesagt haben, da sind wir lieber Vizekanzler oder sind wir lieber Juniorpartner mit der extremen Rechten, bleibt uns immer noch mehr anteilig über, als dass wir uns sozusagen das durch drei teilen müssen. Ja, und dann kommt schon noch auch eine Sozialdemokratie dazu und ein Parteichef in der Sozialdemokratie, der natürlich ja auch unter Zugzwang steht, weil er einen doch dezidiert linken Kurs gefahren ist und gesagt hat, es muss Umverteilung gehen und es müssen halt einfach auch die wirklich Wohlhabenden und auch die Unternehmen halt einen Beitrag leisten. Das ist natürlich auch, finde ich, ein Faktor. Man braucht auch nur lesen, wie die ÖVP-nahe Presse in Österreich mit dem Thema umgeht. Ich habe heute einen Leitartikel eines Kollegen in der Presse, in der Tageszeitung die Presse gelesen, der sagt, also mit Andreas Babler ist die Sozialdemokratie zum Untergang verurteilt und der muss weg und der ist ja eigentlich schuld daran, dass das nichts geworden ist. Ich glaube, es geht gar nicht darum, dass der so links ist und dass der so ein rotes Tuch sei. Es geht einfach darum, man hätte sich gerne gewünscht, eine doch eher ein bisschen weichgespülte Sozialdemokratie, die halt sozusagen nur mehr ganz die Minimalforderungen angebracht hätte. Das wäre doch viel bequemer gewesen und dann hätte das ja vielleicht auch super funktioniert mit denen. Aber weil es das eben nicht gibt, jetzt sind wir quasi gezwungen, dass wir mit der extremen Rechten koalieren. Sarah: Ja, wir sind in Österreich, das sind immer die Sozis schuld, oder? Werner: Seit kürzerer Zeit scheint das so zu sein. Quati: Ich finde es ja, also das ist irgendwie, es gibt, ich habe es so gescherzt, die letzten Tage immer wieder oder die letzten zwei Tage immer wieder mit befreundeten Personen, so irgendwer dreht an Schaß: SPÖ minus 5 Prozent. Also den Eindruck kriegt man schon ein bisschen so, dass der SPÖ jetzt in die Schuhe zu schieben, aber ja, geschenkt. Was bei mir noch ein Punkt ist, was mir vorher eingefallen ist, während du gesprochen hast, Werner. Was ja auch ein sozusagen Vorteil jetzt für einen bestimmten Flügel innerhalb der ÖVP ist, in Anbetracht der Tatsache, dass es ja jetzt schon mehrere Zusammenarbeiten von ÖVP und FPÖ in den Bundesländern gibt, also sei es jetzt Koalition beziehungsweise Arbeitsübereinkommen, ist halt natürlich der Vorteil unter Anführungszeichen auch, dass die Bundesländer da jetzt nicht mehr, also innerhalb der ÖVP zumindest jetzt nicht mehr groß quertreiben werden. Soweit ich jetzt gelesen habe, gibt es ja durchaus wohlmeinende zustimmende Worte aus Oberösterreich schon, auch aus Salzburg, aus Niederösterreich sowieso. Also so quasi diese Bestärkung mit der FPÖ ist ja trotzdem, also wir arbeiten ja in den Bundesländern gut zusammen und warum soll man das jetzt nicht auch im Bund noch einmal probieren. Werner: Du willst sozusagen auf die Frage Quati: innere Dynamik innerhalb der ÖVP. Also Stichwort auch Wolfgang Hattmannsdorfer, der ja einen ziemlichen Aufstieg innerhalb der ÖVP Oberösterreich hingelegt hat, der war ja Landesgeschäftsführer zuerst und war nach der Landtagswahl 2021 in Oberösterreich Soziallandesrat und jetzt ist er ja in den Bund gewechselt, also Wirtschaftskammer Österreich Chef und gilt ja auch als jemand, der durchaus kein Problem hat, mit der FPÖ zusammenzuarbeiten. Also da finde ich, da hat man schon ein bisschen gesehen, so die letzten zwei Tage irgendwie, wie auch da die Inner-ÖVP- Dynamiken sind. Aber vielleicht magst du das noch präzisieren, Werner und da noch was dazu zu sagen. Werner: Ich glaube, dass das dann verständlich wird, warum es da keinen Widerstand mehr gibt oder keine großartigen Debatten mehr gibt, wenn man sich überlegt, wie die ÖVP insgesamt funktioniert, dass sie eben sehr stark getragen wird, dass sie ihre Machtbasis in den Ländern hat und dass die Landesorganisationen zusammen mit den Bünden auch, natürlich mit den verschiedenen Teilorganisationen der ÖVP, dass die das Gesamtganze, also die Bundespartei dann auch dominieren und da ist es jetzt einfach so, dass man den bisher eigentlich immer über Jahrzehnte felsenfest von der ÖVP geführten Bundesländern halt einfach sieht, wie schnell das in Zeiten wie diesen gehen kann, dass man auch auf der Landesebene, das Machtmomentum möglicherweise an die extreme Rechte verliert und das ist, glaube ich, der Hauptgrund, das ist gar nicht so sehr, dass man irgendwie sozusagen so ein nahes Verhältnis hätte, das ist nämlich jeweils immer ganz anders, es sind ja auch immer dann doch etwas anders getaktete Landesparteien und andere Persönlichkeiten in den Bundesländern der FPÖ, aber man hat einfach gesehen, das kann sehr schnell gehen, jetzt die Steiermark-Wahl, die vor kurzem geschlagen wurde, wo man gesehen hat, okay, die gewinnen das haushoch, das macht einfach Angst, das ist, glaube ich, wäre meine einfache Erklärung, das macht einfach Angst und das führt vor Augen, wie schnell das gehen kann, dass man irgendwie sozusagen von einer eigentlich ewig sicher geglaubten Machtbasis halt verdrängt werden kann. Mir fällt da immer diese Analogie vom Boxsport ein, da gibt es dieses Klammern. Das machen, wenn zwei Leute aufeinander losgehen und das tun diese beiden Parteien eigentlich sozusagen sich um das rechtsradikale, rechtsextreme, reaktionäre Wählerpotenzial in Österreich streiten, das machen die, die gehen aufeinander los und dann, wenn man dann merkt sozusagen, der eine Boxer oder die eine Boxerin schafft es, die andere wirklich sozusagen stark ins Eck zu drängen und stark zu bedrängen, dann gibt es dieses Klammern, dann umarmt man den anderen zu Tode und das passiert, glaube ich. Das ist das, was in den Köpfen und Vorstellungen vieler in der ÖVP zentraler Persönlichkeiten, eben der Landeshauptleute passiert, die denken sich, wir werden nur weiter vor uns her getrieben, werden, wir werden nur weiter verlieren, wir zahlen dann die Zeche, wenn man irgendwie mit den Sozialdemokraten und den Liberalen regieren, das ist eine irrsinnige Angriffsfläche für uns in den Ländern. Ich halte nicht so viel von den Thesen, wie zum Beispiel der Peter Filzmaier gesagt hat, naja, die haben dann eh so lange keine Wahl, das glaube ich eher nicht, also man weiß schon, das kann schnell gehen und solange wir diese Basis noch haben, wollen wir die verteidigen und da ist es besser, dann mit der FPÖ zu koalieren im Bund, anstatt diese Angriffsfläche zu bieten, wenn man sozusagen mit anderen Parteien koaliert, da ist man das perfekte Feindbild für den Kickl, der dann in der Opposition noch weitere Umfrageerfolge erzielen kann, noch mehr zulegen kann in den Umfragen und da hat man einfach Angst, dass man dann da die Zeche dafür zahlt, das glaube ich und das ist einfach eine ganz banale machtpolitische Überlegung, die da in den Bundesländern bei den Konservativen stattgefunden hat. Das ist einfach der bessere Weg, der ÖVP geht es nicht so sehr um den Bund, wie viele glauben, es geht ihnen um die Institutionen, ja, es geht ihnen um Positionen in Ministerien, wenn man sich überlegt, wie lange die ÖVP durchgehend in der Bundesregierung ist, dass dann Strukturen aufgebaut wird, ja, das ist ein Thema, aber ich glaube, die Machtbasis liegt in den Bundesländern und da hat man Angst vor dieser Situation, Angst, dass man dann die Zeche dafür zahlt, wenn man eben nicht mit denen koaliert. Sarah: Jetzt haben wir uns ein bisschen angeschaut, was vorher war und wie die ÖVP Innensicht ist, warum das jetzt so ausschaut, wie es ausschaut, ja, was kommt jetzt auf uns zu? Wenn wir jetzt rechnen damit, das wird ein Kickel-Kanzler mit einem Juniorpartner in Türkis, was kommt auf uns zu? Wer muss sich tatsächlich fürchten? Werner: Das ist eine gute Frage, ich kann natürlich auch nicht in die Zukunft sehen. Sarah: Möchtest du eine Kristallkugel ausborgen? Werner: Ich würde jetzt mal abwarten, ob sich das wirklich tatsächlich so entwickelt, wie eh wir vermuten und wie wirklich alle Zeichen andeuten, dass es tatsächlich jetzt dazu kommt, dass die FPÖ sich sozusagen als großer Teil zu einer Koalition dann in die Regierung hievt und Herbert Kickl Kanzler wird. Wenn er das schafft und wenn er dann auch schafft, sich auch zu halten, dann wird das, glaube ich, nichts Gutes für Österreich insgesamt bringen. Wir werden zu einem Kritikpunkt auf der europäischen Ebene natürlich werden, Österreich wird sich einreihen in eine Allianz von - ich würde schon sagen - EU-feindlichen und pro-russischen Staaten, die ja vor allem östlich und südlich von uns immer zahlreicher werden. Für wen wird es in Österreich interessant oder gefährlich eher? Ich glaube, fürchten müssen sich alle Leute, die im Kulturbereich arbeiten. Ich befürchte, es wird nicht gut für Leute, die auf Universitäten arbeiten. Es ist nicht gut für den Wissenschaftsstandort Österreich. Es ist nicht gut für die Kunst- und Kulturszene. Es ist auch natürlich nicht gut für die ganz wenigen und nicht relevanten Qualitätsmedien in Österreich oder für den kritischen Journalismus. Und systemisch wird es, glaube ich, schlimm werden für das Bildungssystem und für das Gesundheitssystem, wobei ich mir da noch nicht sicher bin, wie sich die FPÖ da positionieren wird, weil sie weiß ja auch, dass sie gewisse Dinge wird liefern müssen, damit sozusagen, sage ich jetzt mal, die schwierigen Challenges, die sie vor sich haben, Staatshaushalt, Defizit, dann ein bisschen abgefedert werden, damit man sagen kann, okay, jetzt haben wir halt ein Sparpaket auch, da sind wir eh nicht schuld, aber dafür geben wir euch ein Gender-Aus und dafür gibt es sozusagen ein Kopftuchverbot überall oder was auch immer und dafür dürfen auch keine Kulturschaffenden mehr irgendwelche subversiven Theaterstücke aufführen, das haben wir alles abgedreht und ja, also ich denke, das sind im Wesentlichen die Berufsgruppen, für die es ungemütlich wird und für Österreich, für die wirtschaftliche Situation hier, für die Frage, was das für unser Ansehen im internationalen Ausland, für Investitionen angeht, für die Lebensqualität hier, da kommt halt darauf an, wie lange sich so eine rechtsextrem geführte Regierung dann halten wird und wie viel Schaden sie da anrichten kann. Sarah: Wenn du das Bildungssystem erwähnt hast, ich bin, ich arbeite als Lehrerin in einer Schule im Inklusionsbereich und ganz ehrlich, ich fürchte mich für meine Schüler*innen sehr. Das ist eine Mittelschule in Wien, das heißt, wir haben ein sehr durchmischtes Publikum und es ist eben eine Inklusionsklasse, ich habe zwei schwerbehinderte Kinder in der Klasse, ich fürchte davor, dass das nicht so bleiben wird, da fürchte ich einfach, dass das für meine Kids furchtbar wird. Werner: Ja, das befürchte ich auch, also gerade solche Diskussionen, die in Österreich auf den Stammtischen geführt wird, eben das Schulsystem ist ja deshalb so schlecht, weil die österreichischen Kinder ja so leiden unter den ganzen Ausländerkindern, die das Niveau in den Klassen so senken, das ist ja das Furchtbare eigentlich, die müssen wir jetzt alle trennen. Das sind halt schon so aufgelegte, ja fast schon Elfmeter irgendwie für die Rechtsextremen, weil man dann sagen kann. das haben wir abgedreht, dass man dann nicht auf das hört, was die Bildungswissenschaft sagt, dass das halt im Endeffekt niemandem gut tut und das ist ja auch diese Gegensätze und Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen in der Gesellschaft ja noch weiter verstärken wird, weil man ja eben nicht genau einen Ausgleich schafft oder irgendwie die Chancen schafft, dass sich halt die ökonomisch Schwächeren irgendwie zumindest aus eigenen Kräften da heraus lernen oder heraus studieren und heraus leisten können, das ist jemandem wie dem Herbert Kickl glaube ich reichlich egal, wenn er damit kurze scheinbare Erfolge erzielen kann. Aber das ist sozusagen für eine Migrationsgesellschaft, die Österreich nun mal ist, ob man das jetzt will oder nicht ist egal, das ist so, ist das natürlich fatal oder wäre das fatal und für Pädagoginnen und Pädagogen, die sich hier engagieren und die sehr wohl wissen, wie schwierig die Situation ist und sicher auch nichts beschönigen, glaube ich, für die ist das, wie soll man sagen, ein wirklicher Pflock zwischen die Beine oder wäre das, wenn es so kommen würde. Quati: Ich stelle mir jetzt die ganze Zeit die Frage, ich meine, wir wissen, es gab schon mehrfach Schwarz-Blau, also ÖVP und freiheitliche Bundesregierungen, die sind jedes Mal krachen gegangen und jedes Mal irgendwie mit Anlauf und sehr viel Chaos. Ich wundere mich über die kognitive Dissonanz der ÖVP dann schon immer wieder. Geht es da wirklich um den kurzfristigen Erhalt noch, dass man sagt, okay, besser jetzt zwei, drei Jahre noch irgendwie die Pfründe sichern und dann gehen wir halt wieder krachen oder glauben sie wirklich, dass es diesmal funktioniert? Weil ich denke mir halt schon... also ich kann mir das trotz allem nicht erklären, so sehr ich die ganzen Punkte der ÖVP sehe und die Überlegungen dazu und seien sie jetzt ideologisch motiviert oder rein macht sicherungspolitisch, aber ich denke mir halt schon... Kickel ist ja - es gibt ja immer noch Ermittlungen wegen mutmaßlicher Falschaussage gegen ihn und noch einige andere Dinge mehr, also die besten Voraussetzungen, Stichwort auch FPÖ, also Freiheitliche Partei, Steiermark, was da gerade so los ist, also grundsätzlich besonders stabil ist ja die Freiheitliche Partei gerade auch nicht und ich frage mich halt dann so: besser jetzt zwei Jahre irgendwie dahin wursteln und dann kracht es wieder oder... ich verstehe es einfach nicht. Aber vielleicht kannst du mich erleuchten, Werner. Ich kann das alles nicht nachvollziehen, jetzt aus ÖVP-Sicht. man sagt: okay, man geht das Risiko ein. Werner: Also wie gesagt, ich glaube, dass es tatsächlich einfach darum geht, dass das System ÖVP darin besteht, dass es wirklich viele, viele, viele Menschen gibt, die in der staatsnahen Industrie, in staatsnahen Betrieben, öffentlichen Dienst, in Ministerien und so weiter und so fort beschäftigt sind und das aufzugeben und irgendwie quasi sich mit anderen zu teilen oder gar in eine Opposition zu gehen, die aber rein rechnerisch jetzt eh nicht zur Diskussion steht, weil dann gäbe es dann wirklich keine Möglichkeit mehr, Österreich zu regieren, dann wäre es wirklich unregierbar, dass das wirklich die Hauptmotivation glaube ich darstellt. Das vermute ich schon, ich glaube aber auch oder vermute auch, dass es sehr wohl auch Hintergedanken gibt, also ich glaube nicht, dass nicht Überlegungen, die über die nächsten paar Monate oder von mir aus 12, 24 Monate hinausgehen, nicht stattfinden in der ÖVP. Man denkt sich schon, kommt irgendwann die Möglichkeit, dass wir quasi diese blaue Welle wieder brechen, finden wir jemanden, der als Spitzenkandidat tatsächlich dann der FPÖ wieder das Wasser abgraben kann und ich bin überhaupt kein Fan von "kommt Kurz zurück"-Spekulationen. Ich halte das alles für Blödsinn und auch für sehr unjournalistisch, aber ausschließen würde ich es halt auch nicht, weil es schon möglich ist, dass man denkt, okay, in zwei Jahren schaut das vielleicht anders aus, da ist die eine oder andere Sache vielleicht eingestellt irgendwie juristisch, dann könnten wir irgendwie doch wieder eher durchstarten, also ich glaube schon auch, dass das vielleicht ein bisschen mitspielt, dass man sagt, okay, man spielt jetzt ein bisschen auf Zeit und sagt, bleibt uns jetzt nicht sehr viel anders über, steigen wir immer noch am besten aus, aber damit gewinnen wir halt auch Zeit. Und in zwei Jahren schaut das wieder anders aus und dann machen wir das schon. Es ist halt einfach traurig zu sehen, das klingt jetzt ein bisschen wie der Andreas Babler, aber ich finde, da hat er schon einen Punkt irgendwie. Also wenn Politik jegliche staatspolitische und auch gesellschaftspolitische Verantwortung aufgibt und wenn es nur mehr darum geht, wie komme ich irgendwie weiter und in zwei Jahren komme ich vielleicht wieder noch ein bisschen besser weiter, dann ist das ja eigentlich wirklich komplett Selbstzweck im wahrsten Sinne des Wortes. Da geht es nur um einen selbst dann und dann ist sozusagen das Ziel oder der Grund, warum man Politik macht, nämlich um Gesellschaft zu gestalten und zu verändern, ja eigentlich wirklich absolut zweitrangig. Da ist ja dann das, was man fordert und was man tut. eigentlich komplett im Hintergrund. Da geht es eigentlich um einen selber dann und das kann ja in Wirklichkeit nicht Sinn der Übung sein. Quati: Es bleibt auf jeden Fall spannend die nächsten Tage. Was erwartet uns die nächsten Tage beziehungsweise: Werner, was steht jetzt noch an, gesehen vom Standpunkt des Abend des 5. Jänner aus? Was gibt es die nächsten Tage? Unwägbarkeiten? Wie geht es weiter? Werner: Am Montagvormittag trifft Herbert Kickl den Bundespräsidenten Alexander von der Bellen in der Hofburg. Das ist sicher ein interessantes Gespräch. Die beiden können sich, wie man weiß, überhaupt nicht leiden. Der eine hat gesagt, er würde den anderen ziemlich sicher nicht zum Kanzler angeloben. Ist jetzt vor vollendete Tatsachen gestellt worden, weil die ÖVP einfach Fakten geschaffen hat und Van der Bellen eingesehen hat, dass er Gefahr läuft, sein Gesicht komplett zu verlieren, weil die ÖVP innerhalb kürzester Zeit ihre Linie fallen gelassen hat und gesagt hat, okay, dann reden wir eben mit Kickl und machen ihn ziemlich wahrscheinlich auch zum Kanzler, um da nicht komplett das Gesicht zu verlieren und das alles irgendwie zumindest halbwegs geordnete Bahnen zu lenken, Hat er ihn eingeladen. Er wird den Regierungsbildungsauftrag bekommen, die ÖVP hat gesagt, ja, wir werden mit ihm verhandeln. Die eine Frage, die noch eher offen ist, wird es wirklich beim Herrn Stocker bleiben oder wechselt die ÖVP dann noch einmal wen ab. Ich rechne ehrlich gesagt nicht mehr mit großartigen revolutionären Umstürzen. Ich denke mir, dass im Laufe der kommenden Woche die ersten Gespräche passieren werden. Ich glaube, auf was man noch achten muss, ist, was und wann Herbert Kickl dann einmal sich wirklich öffentlich äußert. Und der ist durchaus in so einer guten Position, dass er schon auch sagen kann, also Stocker, der hat mich so stark kritisiert, mit dem will oder kann ich eigentlich gar nicht bitte jemanden anderen, nicht vergessen. Ansonsten werden irgendwie Neuwahlen erzwungen und die würde er Hhushoch gewinnen, der Kickl noch stärker gewinnen, als er die im September gewonnen hat. Und das finde ich auch etwas sehr Neues, dass Herbert Kickl zum ersten Mal als überhaupt irgendwer als ein Spitzenkandidat und Parteichef in einer Position ist, dass er das Ganze so verunmöglichen kann, dass es nur Neuwahlen geben muss, und sich vor denen aber nicht fürchten braucht, weil er fix damit rechnen kann, dass er sogar noch gewinnt. Also darauf ist noch zu achten, ein bisschen. Wie wird er sich positionieren da und akzeptiert er das, was die ÖVP ihm halt jetzt zuerst mal auf der persönlichen Ebene hinsetzt. Quati: Ja, danke dir Werner für diese sehr dichte und umfassende Einschätzung dessen, was gewesen ist, was derzeit ist und was vielleicht noch kommen möge. Wir sagen an dieser Stelle Danke an alle, die uns motiviert haben zu dieser Sonderfolge. Ziemlich cool. War auch für uns ein Erstversuch. Wir haben euch diverse Artikel, auch natürlich die von Werner Reisinger in die Shownotes gepackt. Diverse Details zu Freiheitliche Partei Steiermark und Sonstiges findet ihr ebenso in den Shownotes, wenn ihr das im Detail nachlesen möchtet. Wir freuen uns, wenn möglichst viele sich die Folge anhören und sagen an dieser Stelle, wir leben in spannenden Zeiten, warten wir, was auf uns zukommt, wünschen euch noch einen spannenden Abend, Nacht, Vormittag, Mahlzeit oder guten Abend. Und schreibt uns eure Bewertungen, eure Kommentare, wo auch immer ihr den Podcast hört. Und ja, uns bleibt nur so viel zu sagen: Österreich, What the fuck? Wir hätten uns nicht gedacht, dass unser Podcast-Titel so programmatisch für das Jahr 2025 werden könnte. Sarah: Gleich von Anfang an. Quati: Gleich von Anfang an. Sarah: Tschüss, bis zum nächsten Mal. Werner: Danke fürs dabei sein, Kathin, danke Sarah, euch auch alles Gute.